Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


Eingangsseite

Aktuelle Informationen

Jahrestagungen von Alemannia Judaica

Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft

Jüdische Friedhöfe 

(Frühere und bestehende) Synagogen

Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale in der Region

Bestehende jüdische Gemeinden in der Region

Jüdische Museen

FORSCHUNGS-
PROJEKTE

Literatur und Presseartikel

Adressliste

Digitale Postkarten

Links

 

  
zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"  
zurück zur Übersicht "Synagogen in Unterfranken"
   

Weickersgrüben (Gemeinde Gräfendorf, VG Gemünden am Main, Kreis Main-Spessart)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(erstellt unter Mitarbeit von Hermann Fischer, Weickersgrüben)

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen   
bulletLinks und Literatur   

     

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde         
    
In Weickersgrüben bestand ein kleine jüdische Gemeinde im 18./19. Jahrhundert. 1750 wurde den am Ort lebenden jüdischen Familien das nicht mehr genutzte (um 1560 erbaute) Schloss der Freiherren von Thüngen überlassen. Das Schloss wird seitdem (bis heute) als "Thüngensches Judenschloss" bezeichnet. Im Zusammenhang mit Beisetzungen auf dem jüdischen Friedhof in Pfaffenhausen erfährt man aus der Hammelburger Amtsrechnung 1771/72 die Namen mehrere jüdischer Familienväter aus Weickersgrüben. Es wurden u.a. beigesetzt: Natan aus Weickersgrüben Sohn, Seeligmann aus Weickersgrüben, Samuel aus Weickersgrüben Kind, ein armes Kind aus Weickersgrüben, Samuel Sohn aus Weickersgrüben".  
  
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1813 41 jüdische Einwohner (16,6 % der Gesamteinwohnerschaft), 1832: 58, 1833: 55 jüdische Einwohner in elf Familien; 1854: sechs jüdische Haushaltungen, 1871 nur noch vier jüdische Einwohner. Die Zahl war mit der in den 1840er-Jahren stark einsetzenden Auswanderung nach Amerika schnell zurückgegangen. 
  
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 wurden auf insgesamt zehn Matrikelstellen in Weickersgrüben noch die folgenden jüdischen Familienvorstände genannt (mit neuem Familiennamen und Erwerbszweig): Isack Feist Tannenberg (Krämer und Schlachten, Vorgänger), Baruch Hirsch Reis (Schlachten und Schmusen), Baruch/Baer Feist Thormann (Schmusen und Kramhandel), Joseph Feist Tannenberg (Kramhandel), Abraham Eisig Berg (Viehhandel), Herz Abraham Berg (Viehhandel), Kaje Jakob Wald (Lumpenhandel und Schlachten), Zirla Löb Sichelbaum (Kramhandel), Mariam Wolf Muller (Kramhandel), Michel Mayer Steiner (Viehhandel, seit 1817). Keine Matrikelstelle wurde eingetragen für Israel Hirsch Holzmann (Buchbinder) und Simon Levi Ortmann (jüdischer Lehrer).    
   
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde einen Betsaal/Synagoge (s.u.), eine Religionsschule, vermutlich auch ein rituelles Bad. Aus örtlichen Überlieferungen ist bekannt (Mitteilung von Christian Fischer, Weickersgrüben), dass es am Ort auch einen jüdischen Friedhof gab: ein Acker, in Richtung Ochsenthal gelegen, wurde noch lange Zeit als "Jüdekirfich" (Judenkirchhof, Judenfriedhof) bezeichnet. Heute wird das Flurstück gewöhnlich als "Säugraben" bezeichnet (Foto siehe unten). In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden die Toten der Gemeinde im jüdischen Friedhof Pfaffenhausen beigesetzt (vgl. die Nachweise in der bereits oben genannten Hammelburger Amtsrechnung 1771/72). 
  
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatten die jüdischen Familien einen Lehrer, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war: 1817 wird (s.u.) Simon Levi Ortmann als Lehrer genannt.  

Unter den Auswanderern im 19. Jahrhundert war Michael Stein, der sich 1841 mit seiner Familie auf den Weg in die USA machte. Seine Enkelin war Gertrude Stein (1874-1946), die die Auswanderung ihrer Großeltern in dem 1925 erschienenen Familienepos "The Making of Americans: Being a History of a Family's Progress" verarbeitet hat (die Großeltern kommen hier in den Gestalten der Eltern von David Hersland vor).   
Das Foto links zeigt den Grabstein für die in Oakland verstorbenen Eltern von Gertrude Stein: Daniel Stein (1832 Weickersgrüben - 1891 Oakland) und Amalia geb. Keyser (1843 in Baltimore - 1888 Oakland). Quelle des Fotos: https://www.findagrave.com/memorial/127714469/amelia-stein
Zur Familie von Gertrude Stein hat Alexander L. Nagel einen Stammbaum erstellt: Familie Gertrude Stein (als pdf-Datei eingestellt; Stand März 2020; bei Ergänzungen oder Rückfragen bitte an den Autor wenden: aln@zeelandnet.nl).  
Zum Familienepos "The Making of Americans..." - ein autobiografischer Roman mit vielen Informationen zur Geschichte von Gertrude Steins Vorfahren in Weickersgrüben - siehe den Beitrag von Ulrich Gineiger in der "Main-Post" vom 17./18. Januar 1987: "Ein Weltroman wurzelt in Franken..." (eingestellt mit freundlicher Erlaubnis des Autors; pdf-Datei).       
Neu in 2022: Alexander L. Nagel: Meine Gertrude Stein. Erschienen im Eigenverlag des Autors 2022. 116 S. Bei Rückfragen: alnag@ziggo.nl  

    
    
    
Berichte zur Geschichte der jüdischen Gemeinde  

In jüdischen Periodika des 19./20. Jahrhunderts wurden noch keine Berichte zur jüdischen Geschichte in Weickersgrüben gefunden.  

    
    
    
Zur Geschichte der Synagoge        
    
Eine Synagoge befand sich im Bereich des "Judenschlosses". Von ihr ist nichts mehr erhalten.    
    
    
Adresse/Standort der SynagogeBereich des Schlosses 
     
     
     
Fotos  

   Das "Judenschloss"
in heutigem Zustand

(Foto links: Hermann Fischer;
Foto rechts: Leonhard Scherg)
     
  Das "Judenschloss" wurde 1560 von den Freiherrn von Thüngen erbaut und diente unter anderem als Wohnsitz des Thüngenschen Verwalters. Der große Gewölbekeller wurde als Lagerraum für landwirtschaftliche Erzeugnisse des Thüngenschen Hofes und sicher auch für die Aufbewahrung bestimmter Zehntabgaben genutzt. Um 1750 nahmen Freiherren von Thüngen "Schutzjuden" in Weickersgrüben auf. Ihnen stellten sie das Schloss als Wohnraum zur Verfügung. Seinen Schlosscharakter verlor das Gebäude, als um 1900 die zwei Türme aus Sandstein abgerissen wurden. Die Steine vermauerte man wenige Jahre später beim Bau der Weickersgrübener Schule. Heute steht das Judenschloss leer. Es befindet sich im Besitz der Familie Stürzenberger, die das Thüngensche Hofgut Anfang des 20. Jahrhunderts erworben hat.  
     
 Vermutlich abgegangener jüdischer Friedhof
 in Weickersgrüben

(Foto: Hermann Fischer)
  
    Dieses in Richtung Ochsenthal gelegene Flurstück wird heute noch gelegentlich mit "Jüdekirfich" (Judenfriedhof) bezeichnet. Eingetragen ist es in den offiziellen Gemarkungsplänen der Gemeinde unter "Säugraben". Da die in Weickersgrüben verstorbenen Juden spätestens um 1770 in Pfaffenhausen beigesetzt wurden, dürfte der Friedhof in Weickersgrüben nur in den ersten Jahrzehnten der Ansiedlung am Ort belegt worden sein.  
     
 Dokument zur Auswanderung
nach Nordamerika (1840)
  
    Kopie aus den Aufzeichnungen der Gemeinde Weickersgrüben vom 14. Juli 1840 über eine Zusammenkunft der Familie Stein und Mitgliedern der Gemeindeverwaltung Weickersgrüben. Michael Stein bekundet bei diesem Treffen seinen Entschluss, sich den ausreisewilligen Kindern und seiner Frau Hannah anzuschließen und sich somit "...im Verlaufe der besagten 14 Tage zur Abreise nach Amerika fertig zu machen...". Links unten befinden sich die Unterschriften der anwesenden Gemeindevertreter, rechts die der Mitglieder der Familie Stein. Michael Stein hat in Hebräisch unterzeichnet, seine Frau Hannah mit drei Kreisen.
Diese Aufzeichnungen der Gemeindechronik belegen die engen Beziehungen zwischen dem Familienepos von Gertrude Stein "The Making of Americans..." mit der Geschichte ihrer Vorfahren in Weickersgrüben.  

    
     

Links und Literatur

Links:

bulletWebsite der Gemeinde Gräfendorf 
bulletArtikel bei Wikipedia zu Gertrude Stein  

Literatur:  

bulletIsrael Schwierz:  Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 124.
bulletMSP Publikation 01.jpg (23157 Byte)Leonhard Scherg: Jüdisches Leben im Main-Spessart-Kreis. Reihe: Orte, Schauplätze, Spuren. Verlag Medien und Dialog. Haigerloch 2000 S. 18.   
bulletDirk Rosenstock: Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13. Würzburg 2008. S. 129. 

   
     

                   
vorherige Synagoge  zur ersten Synagoge nächste Synagoge   

              

 

Senden Sie E-Mail mit Fragen oder Kommentaren zu dieser Website an Alemannia Judaica (E-Mail-Adresse auf der Eingangsseite)
Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 30. Juni 2020