Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Porrentruy (Pruntrut, Kanton Jura, Schweiz)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Gemeindebeschreibungen im "Jüdischen Jahrbuch der Schweiz" (1916/21)   
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen
bulletLinks und Literatur   

   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde             
   
  
In Porrentruy bestand eine jüdische Gemeinde ("Communauté israelite de Porrentruy") von 1850 (nach Angaben der "Jahrbücher" s.u.) bis zu ihrer Auflösung Anfang der 1970er-Jahre. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatten sich in der Stadt einige jüdische Familien aus dem südlichen Elsass, u.a. aus den beiden Sundgauer Ortschaften Seppois-le-Bas und Durmenach niedergelassen. 1850 konnte eine jüdische Gemeinde gegründet werden. 20 Jahre später erreichte die Zahl der jüdischen Einwohner in der Stadt den Höchststand mit 284 Personen (1870; von insgesamt ca. 4400 Einwohnern).  
  
Die jüdischen Familien lebten überwiegend vom Handel (Textilien, Trödlerwaren, Vieh- und Pferdehandel). 

Bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts ging die Zahl der jüdischen Einwohner - zumeist durch Abwanderung in größere Städte - wieder zurück. 1916/18 wurden noch 18 Familien mit 62 Personen gezählt, 1921 noch 15 Familien mit etwa 60 Personen.      

An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.). Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war im 19. Jahrhundert zeitweise ein Lehrer angestellt, der auch als Kantor und Schochet tätig war. Als Gemeindevorsteher (Präsident) werden genannt; um 1916/18: Sylvain Hirsch, 1921 Raphael Ulmann. Ein auswärtiger Rabbiner betreute die Gemeinde; um 1870 war es der Rabbiner von Seppois-le-Bas, der die rabbinischen Funktionen wahrnahm.  

Porrentruy Dok 170.jpg (179048 Byte)Von den in Porrentruy geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem):  Valentine Belin (geb. 1871 in Porrentry; 1944 von Frankreich aus nach Auschwitz deportiert und ermordet), Elie-Raymond Grumbach (geb. 1902 in Porrentruy, 1944 beim Massaker an Juden in Guerry bei Bourges, Frankreich umgekommen), Clarisse Levy (geb. 1877 in Porrentruy, 1944 von Frankreich aus nach Auschwitz deportiert und ermordet), Maida Levy (geb. 1879 in Porrentruy, 1943 von Frankreich aus nach Auschwitz deportiert und ermordet), Paul Ulmann (geb. 1899 in Porrentruy, 1943 von Frankreich aus nach Auschwitz deportiert und ermordet ).
Links: Gedenkblatt von Yad VaShem, Jerusalem für Elie-Raymond Grumbach

1972 beschlossen die letzten drei jüdischen Einwohner der Stadt, die Gemeinde aufzulösen. 
  
   
   
  
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
 
Gemeindebeschreibungen im Jüdischen Jahrbuch der Schweiz 1916 / 1921        

Porrentruy JuedJbSchw 1916 198.jpg (26151 Byte)Gemeindevorstellung im "Jüdischen Jahrbuch der Schweiz", Jahrgang 1916 S. 128: Porrentruy. Im Jahre 1850 wurde in Porrentruy eine jüdische Gemeinde gegründet, welche heute mit 18 Familien ca. 62 Seelen zählt. Vorstand: Derselbe besteht aus 5 Mitgliedern. (Präsident Mr. Hirsch). Institutionen: Synagoge".           
Porrentruy JuedJbSchw 1918 259.jpg (26414 Byte)Gemeindevorstellung im "Jüdischen Jahrbuch der Schweiz", Jahrgang 1918 S. 259: "Porrentruy. Im Jahre 1850 wurde in Porrentruy eine jüdische Gemeinde gegründet, welche heute mit 18 Familien ca. 62 Seelen zählt. Vorstand: Derselbe besteht aus 5 Mitgliedern. (Präsident Sylvain Hirsch. Beamte: Vakat. Institutionen: Synagoge."        
Porrentruy JuedJbSchw 1921 183.jpg (32528 Byte)Gemeindevorstellung im "Jüdischen Jahrbuch der Schweiz", Jahrgang 1921 S. 183: "Porrentruy. Im Jahre 1850 wurde in Porrentruy eine jüdische Gemeinde gegründet, welche heute mit 15 Familien ca. 60 Seelen zählt. Vorstand: Derselbe besteht aus 5 Mitgliedern; Präsident: Raphael Ulmann. Beamter: vakant. Institutionen: Synagoge."       

  
   
   
   
  
Zur Geschichte der Synagoge         
    
Ab etwa 1860 war ein Versammlungs- und Betraum in einem Gebäude an der Grande Rue eingerichtet, etwas später konnte man ein Betlokal in einem Gebäude an der Rue des Annonciades einrichten. Nachdem in den 1860er-Jahren die Zahl der jüdischen Einwohner in der Stadt stark gewachsen war, wurde 1869 eine Kommission gegründet, deren Ziel die Sammlung von Geldern für eine zu erbauende Synagoge war. Durch Spenden, durch den Verkauf der Synagogenplätze und durch eine 1870 durchgeführte Lotterie sollte die Finanzierung des Synagogenbaus gewährleistet werden. Während der Bauzeit mussten freilich noch erhebliche Kredite aufgenommen werden. 
  
Im Juni 1871 konnte in der Nähe des wenig später erstellten Bahnhofs ein Grundstück für den Synagogenbau erworben werden. 1872 konnte mit dem Bau - zunächst auf Grund von Plänen des Bauunternehmers Jean Matt - begonnen werden. Die weitere Bauausführung übernahm der Architekt Louis Laporte, nachdem es mit dem Bauunternehmer Jean Matt zu Auseinandersetzungen gekommen war. Die Synagoge konnte am 3. September 1874 eingeweiht werden. Die Weiherede hielt Rabbiner Isaac Lévy .  
 
Die Einweihung der Synagoge (1874)
A
nmerkung: Rabbiner Isaac Lévy (geb. 1835 in Marmoutier, gest. 1912 in Paris): studierte 1851-57 an der École rabbinique in Metz; 1858 Rabbiner in Verdun, 1865 in Lunéville; 1869 Groß-Rabbiner von Colmar, 1873 Großrabbiner von Vesoul, 1887-1912 Groß-Rabbiner in Bordeaux, danach im Ruhestand und nach Paris übergesiedelt. Zahlreiche Auszeichnungen.    

Artikel in der "Israelitischen Wochenschrift" 44 1874 S. 364: "Pruntrut (Porrentruy). Am 3. September hat auch hier die Einweihung einer neuen Synagoge stattgefunden. Es wohnen in Pruntrut 32 jüdische Familien, insgesamt 1871 aus dem Elsass Ausgewanderte, sie haben das sehr schöne Gebäude ganz aus eigenen Mitteln aufgeführt. Die Weihepredigt hielt der Rabbiner Levy aus Vesoul, welcher bekanntlich auch seine Stelle in Colmar verlassen hat und nach Frankreich übergesiedelt ist. Die Predigt liegt gedruckt vor uns. Sie spricht von Nächstenliebe, Brüderlichkeit und Rechts-Gleichheit, von den Grundideen des Judentums. Sie klagt mit den vom Boden der Heimat Gewanderten. Gut, dass sie in einem abgelegenen Winkel des Berner Jura gehalten worden ist, es wäre für die 'Köln. Zeit.' und manch anderes Blatt Stoff zu Ausfällen auf Juden gegeben. Wir freilich werden, stets ungescheut, an Andern ehren, was wir an den unsrigen preisen würden, werden über den Grund patriotischer Gefühle nicht rechten, und über den Schmerz Desjenigen, der den Heimatboden aus Anhänglichkeit an das Land, welches ihm Vaterland ist, verlassen hat, nicht anders als mit Achtung reden; das Gegenteil zu tun, gilt uns für Gemeinheit. -  Dass ein israelitischer Prediger darum doch keine Revanche-Predigt halten, nicht von Krieg und Eroberung reden, auf eine blutige Restitution vertrösten wird, versteht sich für uns, so lange und weil wir Israeliten sind, ganz von selbst. Interessant sind auch hier wieder die Äußerungen der Lokalblätter, je nach ihrem religiös-politischen Standpunkte. Anerkennung, volles Lob, findet die Feier und die Predigt in allen. Nun aber die Nutzanwendung! Das liberale Blatt sagt: So hören wir von dem Priester einer so lange verfolgten Religion nur Worte der Liebe und des Friedens; möchten Sie bei unserer ganzen politisch-religiöses zerklüfteten Bevölkerung Beherzigung finden. Das klerikale Blatt sagt: möchten die Altkatholiken und Liberalen, welche dem jüdischen Redner Beifall zollten, als er von Brüderlichkeit sprach, es sich merken und uns nicht länger verfolgen, unterdrücken, berauben."  

   
Die Synagoge war nach dem "typischen basilikalen Konzept französischer und süddeutscher Synagogen jener Epoche" (R. Epstein-Mil, s.Lit. S. 126) gebaut. Charakteristisch waren - ganz ähnlich wie in Freiburg im Breisgau - zwei schlanke Türme, die auf der Westseite den Haupteingang und auf der Ostseite den eingeschossigen Apsisanbau (im Bereich des Toraschreines) flankierten.  
  
In den Jahrzehnten nach der Zeit des Ersten Weltkrieges wurde die Synagoge immer weniger genutzt; die meisten Gemeindemitglieder hatten die Stadt bereits verlassen. Ende der 1940er-Jahre wurden nochmals einige Reparaturarbeiten durchgeführt. 1972 wurde der letzte Gottesdienst anlässlich der Bar Mitzwah eines Sohnes ehemaliger Gemeindemitglieder abgehalten. Damals beschlossen die drei übrig gebliebenen jüdischen Einwohner der Stadt, die Synagoge zu verkaufen und für den Abbruch freizugeben. Gegen den Abbruch gab es keine Einsprüche, weder von Seiten der städtischen Behörden noch durch den Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund. 
 
Am 28. April 1983 wurde die Synagoge abgebrochen. An die Synagoge erinnern auf dem Grundstück nur noch das einstige eiserne Eingangstor zum Vorplatz der Synagoge und die steinernen Gebotstafeln.    
    
  
Adresse/Standort der Synagoge Rue de la Synagogue 
     
    
Fotos:  

Die Synagoge in Porrentruy 
(Quelle: Sammlung Hahn)  
Porrentruy Synagogue 195.jpg (110273 Byte)  
    Das obige Foto (historische Ansichtskarte, links die Synagoge) in hoher Auflösung 
(Untertext anklicken).     
   
Innenansicht 
(Quelle: R. Epstein-Mil 
s.Lit. S. 128) 
Porrentruy Synagoge 120.jpg (118458 Byte)
Blick nach Westen zum Eingangsbereich. 


  
   

Links und Literatur  

Links:  

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Website der Stadt Porrentruy    

Literatur:  

bulletRon Epstein-Mil: Die Synagogen der Schweiz. Bauten zwischen Emanzipation, Assimilation und Akkulturation. Fotografien von Michael Richter  
Beiträge zur Geschichte und Kultur der Juden in der Schweiz. Schriftenreihe des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds, Band 13. 2008. S. 123-120 (hier auch weitere Quellen und Literatur).   

      
   
   

                   
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Stand: 30. Juni 2020