Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Karlstadt (Main-Spessart-Kreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Allgemeine Beiträge  
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer   
Aus dem jüdischen Gemeindeleben   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen   
Sonstige Dokumente    
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen  
bulletLinks und Literatur   

      

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version
    
In Karlstadt bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938/40. 
  
Bereits im Mittelalter gab es eine jüdische Gemeinde in der um 1200 durch den Würzburger Bischof Konrad von Querfurt gegründeten Stadt. Die Blütezeit der mittelalterlichen Gemeinde war vermutlich im 13. Jahrhundert, doch aus dieser Zeit noch keine schriftlichen Quellen vor. 

Auf Grund einer intensiven Beschäftigung zur Anlage der mittelalterlichen Stadt Karlstadt und einer bei der Gründung zugrunde gelegten Stadtabsteckung für die Anlegung der Baublöcke und die zentralen Gebäude und Plätze kommt Hans Leopold Müller (s. Lit. S. 57) - ausgehend vom Standort der mittelalterlichen Synagoge - zum Ergebnis: "Die ersten Einwohner Karlstadts waren Juden, und sie waren bereits beim Gründungsvorgang zur Stelle. Man geht sicher nicht fehl, in ihnen auch die Kapitalgeber des Bischofs für seine Stadtgründung zu sehen. Dafür erhielten sie Aufenthalts- und Wohnrecht, wurden mit Grundbesitz und Lehen ausgestattet. Ihre geschäftliche Tätigkeit war es dann, die die Stadt zum raschen Aufschwung brachte, den Zuzug förderte, die Wurzeln zum frühen Wohlstand legte und schon um 1219 den Beginn des Mauerbaus ermöglichte".
     
   
Das Ende der ersten jüdischen Gemeinde kam bereits 1298, als bei der "Rintfleisch-Verfolgung" die Juden der Stadt ermordet. Die ermordeten Juden sind zwar namentlich bekannt, da sie jedoch in einer gemeinsamen Liste mit den aus Grünsfeld, Lauda und Weinsberg ermordeten Juden aufgeführt werden, kann nicht gesagt werden, welche der Personen aus Karlstadt stammten. Erst im Januar 1330 wird in Karlstadt wieder ein Jude namens Frumelin genannt, der auf einen Zehnten von einem Weinberg am Neuberg bei Karlstadt verzichtete, worauf ein Karlstadter Bürger mit diesem belehnt wurde. Es ist jedoch nicht bekannt, ob Frumelin in Karlstadt lebte. Während der Pestzeit Mitte des 14. Jahrhunderts gab es eine erneute Judenverfolgung. 
  
Trotz der fehlenden beziehungsweise der nur wenigen schriftlichen Nachweise über jüdische Einwohner im Mittelalter ist davon auszugehen, dass in der Stadt zumindest vor der Judenverfolgung 1298 eine jüdische Gemeinde von gewisser Größe bestand. Das Gebäude der Synagoge wird allerdings auch erst 1453 genannt ("dicta Jüdenschule", Hauptstraße 28 siehe unten), als in ihm bereits über 150 Jahre keine Synagoge mehr war.   
      
   
Erst nach der Mitte des 19. Jahrhunderts konnten sich Juden in der Stadt wieder niederlassen. 1876 gab es erstmals wieder einen jüdischen Hausbesitzer in der Stadt. Seit 1870 entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1871 1 jüdischer Einwohner, 1880 12 (0,5 % von insgesamt 2.440 Einwohnern), 1890 41 (1,6 % von 2.525), 1900 37 (1,3 % von 2.886), 1910 72 (2,2 % von 3.225). Eine jüdische Gemeinde wurde um 1885 gegründet (seitdem wurde ein Gemeindeprotokollbuch geführt).  
  
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde einen Betsaal (s.u.) und ein Zimmer für den Religionsunterricht der Kinder. Die Toten der Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof in Laudenbach beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (vgl. Ausschreibungen der Stelle unten). 
   
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde der Gefreite Max Fränkel (geb. 8. 1.1891 in Karlstadt, gef. 28.10.1917). Sein Name findet sich auf der Gedenktafel für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges im nördlichen Querschiff der Pfarrkirche St. Andreas.  
 
Um 1924, als noch 38 jüdische Gemeindeglieder gezählt wurden (1,3 % von insgesamt etwa 3.000 Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde Wolf Fränkel, Simon Adler und Emil Worms. Die jüdische Gemeinde war dem Distriktsrabbinat in Würzburg zugeteilt. 1932 waren die Vorsteher Simon Adler, Willi Hüster und Emil Worms. Die Lehrer- und Schochet-Stelle war im Schuljahr 1931/32 vakant, wurde jedoch wenig später mit Julius Bravmann wieder besetzt.    
 
1933 wurden 35 jüdische Einwohner gezählt (1,0 % von insgesamt 3.353 Einwohnern). In den folgenden Jahren (bis 1940) sind die meisten von ihnen auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykottes, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien von Karlstadt verzogen (vor allem nach Frankfurt und Würzburg) oder emigriert. Vier verstarben noch in der Stadt (darunter im Mai 1939 die Frau von Israel Rosenbaum, der von 1899 bis März 1938 in Karlstadt ein Trödler-, dann Schuhwarengeschäft geführt hatte). Unter den 12 in die USA Ausgewanderten waren im Sommer 1938 Alfons Süßer und seine Frau Recha (siehe Bericht unten). Fünf sind nach Palästina ausgewandert, drei nach Brasilien. 1937 waren viele der Gemeindemitglieder unterstützungsbedürftig. Anfang November 1938 wurden noch 16 jüdische Einwohner gezählt. Beim Novemberpogrom 1938, der für den Landkreis in Karlstadt, dem Sitz des NSDAP-Kreisleitung geplant wurde, wurde der Betsaal geschändet (s.u.) und die jüdischen Wohnhäuser von SA- und SS-Leuten sowie Angehörigen der Hitlerjugend und weiteren Ortsbewohnern überfallen. Die Einrichtungen der Wohnungen wurden zertrümmert, Kleider, Bücher und Waren auf den Marktplatz geschleppt, vor dem Rathaus aufgehäuft, zum Teil geplündert oder zugunsten der NSDAP beschlagnahmt; der Rest wurde verbrannt. Viele der jüdischen Einwohner wurden bei den Ausschreitungen brutal geschlagen. Am 17. Mai 1939 wurden noch sechs jüdische Einwohner gezählt. Am 17. Oktober 1939 konnten Julius und Dorchen Bravmann noch nach Palästina emigrieren. Im Mai 1943 gab es noch zwei jüdische Frauen in Karlstadt, die mit nichtjüdischen Männern verheiratet waren.       
   
Von den in Karlstadt geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Siegfried Bamberger (1896), Meta Bamberger geb. Strauß (1906), Paula Bermann geb. Siegel (1890), Siegfried Fränkel (1887), Ida (Ettel) Freudenberger geb. Hoebel (1881), Karolina Glückmann geb. Stein (1893), Sali Krieger geb. Fränkel (1894), Frieda Lehmann geb. Bernei (1890), Israel Rosenbaum (1873), Moses  Strauß (1868), Bertha (Babette) Strauß geb. Silbermann (1872)
.   
    
    
    
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
   
Allgemeine Beiträge 
Antisemitismus in Karlstadt (1866) 
Hinweis: der Vorfall stand in Zusammenhang mit antisemitischen Ausschreibungen im benachbarten Laudenbach und anderen Orten. Artikel aus der Sammlung von Leonhard Scherg.   

Karlstadt Lohrer Anzeiger 14061866.jpg (102419 Byte)Artikel im "Lohrer Anzeiger" vom 14. Juni 1866: "Bekanntmachung
In der Nacht vom 29./30. Mai laufenden Jahres wurden an verschiedenen Plätzen zu Karlstadt Zettel angeklebt, in welchen zur Verfolgung der Israeliten aufgefordert ist. 
Anhaltspunkte zur Ermittlung des Urhebers sind mir zur Kenntnis zu bringen. 
Lohr, den 11. Juni 1866. Der Untersuchungsrichter am königlichen Bezirksgericht. Vollert."     

   
   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer    
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1889 / 1891 / 1901 / 1904  

Karlstadt Israelit 18111889.jpg (30105 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. November 1889: "Die Kultusgemeinde Karlstadt sucht einen jungen, ledigen Religionslehrer und Schochet. Fixer Gehalt 400 Mark sowie freie Wohnung. Anmeldungen nimmt entgegen 
Der Vorstand Leopold Baum."   
 
Karlstadt Israelit 25061891.jpg (36292 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Juni 1891: "Lehrer-Gesuch
Die hiesige Stelle eines Lehrers und Vorbeters ist bald möglichst zu besetzen. Gehalt bis zu 400 Mark. Nebenverdienste extra. Reflektanten wollen ihre Offerten richten 
an A. Stein, Karlstadt am Main."    
 
Karlstadt Israelit 25071901.jpg (48947 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Juli 1901: "Die Religionslehrer-, Vorbeter- und Schächterstelle in Karlstadt am Main mit einem festen Gehalt von 600 Mark und Nebeneinkommen von 2 bis 300 Mark ist per 1. September zu besetzen. Gesuche lediger Bewerber unter Zeugnisvorlage nimmt entgegen  
H. Schmidt
 
Karlstadt Israelit 11071904.jpg (18480 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Juli 1904: "Vorbeter-, Schächter- und Schulunterrichtstelle in Karlstadt am Main 700 Mark Gehalt, freie Wohnung, ca. 400 Mark Nebeneinnahmen. Meldungen an Nathan Süsser, Kultusvorstand."    
 
Karlstadt Israelit 18071904.jpg (46736 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Juli 1904: "Karlstadt am Main. Unterfranken. 
Die Vorbeter-, Schächter- und Schulunterrichtstelle ist bei 700 Mark Fixum-Gehalt, freier Wohnung und ca. 400 Mark Nebeneinkünften sofort zu vergeben. Bewerber wollen sich gefälligst wenden an  
Nathan Süsser, Kultusvorstand."   

 
Zum 70. Geburtstag von Lehrer Julius Bravmann (1936)
Anmerkung: mehr zu Julius Bravmann auf der Seite zu Gaukönigshofen, wo er bis um 1930 als Lehrer tätig war. 

Karlstadt BayrGZ 15021936.jpg (17494 Byte)Meldung des Bayerischen Israelitischen Lehrervereins in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. Februar 1936: "Am 22. Februar feiert unser Vereinsmitglied Bravmann - Karlstadt (früher Lehrer in Gaukönigshofen) seinen 70. Geburtstag. Wir gratulieren dem Jubilar aufs herzlichste". 

    
    
Aus dem jüdischen Gemeindeleben    

Spendenaufruf für eine in Himmelstadt in schwere Not geratene Familie (1892)  

Karlstadt Israelit 17111892.jpg (154000 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. November 1892: "Aufruf!  Wenn je eine traurige Notlage das Mitgefühl und die regste Teilnahme eines warmen Menschenherzens zu erwecken imstande ist, so dürfte dies sicher bei der Familie G. Mannheimer in Himmelstadt bei Karlstadt a.M. der Fall sein, welche vor 14 Tagen in unerwarteter Weise von einem schrecklichen Unglücke leider heimgesucht wurde. 
Herr G. Mannheimer, ein redlicher und fleißiger Familienvater von Frau und sieben unerwachsenen Kindern, musste leider vor 14 Tagen infolge einer plötzlich eingetretenen Geistesstörung in die Kreis-Irrenanstalt Werneck verbracht werden, wo ihn am 5. dieses Monats der Tod von seinen Qualen erlöste und er seine Familie in den kümmerlichsten Verhältnissen zurückließ. Sieben kleine Kinder, wovon das älteste ein Knabe von 11 Jahren ist, strecken weinend die Hände zu ihrer trostlosen und sich im Schmerze windenden Mutter um Brot verlangend empor. Bedarf es nun der Worte noch mehr, um die schreckliche Not und das Jammergeschrei dieser so schwer und hart geprüften Familie zu schildern? O! die Feder sträubt sich, das Elend derselben in seinem ganzen Umfange zu bezeichnen und ein vollkommenes Bild des unendlichen Jammers zu entwerfen. Und was noch wesentlich zur traurigen Lage dieser Familie beiträgt, ist der bedauerliche Umstand, dass dieselbe die einzige jüdische Familie in diesem fast 1 Stunde von hier entfernten Orte und daher vom Umgang teilnehmender Glaubensgenossen abgeschlossen ist. Hier ist sicher die schleunigste Hilfe, sowie anhaltende Unterstützung am Platze und jede Zögerung in dieser Weise dürfte gewiss die größte Verantwortung und schlimmste Folge nach sich ziehen. Daher helfet, wer helfen kann, und reichliche Belohnung wird den edlen Spendern vom Vater der Witwen und Waisen zuteil werden.
Laudenbach, bei Karlstadt a.M., den 6. November 1892. 
Die israelitische Kultusverwaltung Sandel Frank. Moses Adler, Lehrer L. Blumenthal. 
Die vorbezeichneten Verhältnisse sind der Wahrheit gemäß geschildert und wird die Angelegenheit dem Wohltätigkeitssinn der Glaubensgenossen aufs wärmste empfohlen. 
Würzburg, den 9. November 1892. Der Distrikts-Rabbiner Nathan Bamberger. 
Spenden wollen an die genannte Kultusverwaltung gesandt werden. 
Auch die Expedition ist gern bereit, Gaben in Empfang zu nehmen und weiter zu befördern."

    
    
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
       
Zum Tod von Isak Baumann (1889) 

Karlstadt Israelit 09011890.jpg (139492 Byte) Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Januar 1890: "Karlstadt, im Januar (1890). Eine traurige Veranlassung ist es heute, die mich bitten lässt, die Spalten Ihrer geschätzten Zeitung zu benützen. Israel ist leider wieder um eine Person vermindert worden, wie sie immer seltener werden. Der im 68. Lebensjahr in der Nacht zum Heiligen Schabbat Wajigasch (Schabbat mit der Toralesung Wajigasch = 1. Mose 44,18 - 47,27; das war Samstag, 28. Dezember 1889) plötzlich verschiedene Isak Baumann von Gemünden am Main ist es, der sich durch seinen gottgefälligen Lebenswandel verdient macht, dass man seine edlen Handlungen öffentlich rühme und ihm als Richtschnur und als leuchtendes Muster vorführe. 
In Dittlofsroda bei Hammelburg geboren, wählte er sich die Buchbinderei als Beruf und gelang es ihm durch den göttlichen Beistand, durch Fleiß und Ausdauer seine Familie in ehrlicher und redlicher Weise zu ernähren. Seiner dem Tode vorangegangenen Frau war der tugendhafte Verblichene ein treuer Gatte und seinen Kindern war er ein liebreicher Vater. Eine seltene Liebe hegte er als Großvater zu seinen Enkeln. Um das Wohl der Gemeinde Gemünden machte sich der edle Verstorbene hoch verdient; indem die Gemeinde noch nicht im Stande ist einen Kultusbeamten zu unterhalten und der fromme Heimgegangene die Funktion als Vorbeter ausübte; ebenso erwarb er sich als Vorsteher große Verdienste. Handelte es sich um Ausübung einer Mizwa, so war ihm kein Opfer zu groß. In Gerechtigkeit und Wohltätigkeit zeichnete sich der teuere Dahingeschiedene besonders aus und verlieren an ihm die Armen einen großen Wohltäter. Durch sein segenreiches und frommes Wirken ist es demselben gelungen, sich die allseitige Liebe, Verehrung und Hochachtung zu erringen. 
Nun wird er die Früchte für seine ruhmvollen Taten zu genießen haben. 
Er hinterlässt 5 trauernde Kinder. 
Sein Andenken sei gesegnet. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."

   
Wahl des Kultusvorstandes Nathan Süßer (1904)     

Karlstadt FrfIsrFambl 29071904.jpg (15412 Byte)Mitteilung im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 29. Juli 1904: "Karlstadt bei Würzburg, 19. Juli (1904). Als Kultusvorstand der Gemeinde dahier wurde der Kaufmann Nathan Süßer gewählt."   

  
Zum Tod von Hermann Schmidt und Leopold Herz (1925)  

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Oktober 1925: "Gelnhausen, 7. Oktober (1925). Am zweiten Tag des Neujahrsfestes (= 20. September 1925), kurz nach Beginn des Schacharit-Gebetes wurde unser allbeliebtes Mitglied Hermann Schmidt von einem Unwohlsein befallen, welches ihn zum Verlassen des Gotteshauses zwang, das wieder zu betreten ihm nicht vergönnt war. Nach kurzem Krankenlager, im Alter von 72 Jahren, stattete er seine reine Seele am Erew Schabbat Teschuba (Freitag, 25. September 1925) dem himmlischen Vater zurück. Vor etwa 12 Jahren nach dem Ableben seiner Gattin kam der Verstorbene aus Karlstadt bei Würzburg hierher, um im Kreise seiner Kinder und Geschwister seinen Lebensabend in Ruhe und Behaglichkeit zu verbringen. Der Weltkrieg brach aus und forderte von ihm seinen einzigen Sohn zum Opfer. Schwer traf ihn dieser Schlag; doch noch inniger als zuvor, schloss er sich seinem Gotte an. Morgens und abends konnte man ihn bei Tefilloh bezibur (öffentliches Gebet in der Synagoge) antreffen, mit jugendlicher Behändigkeit eilte er zur Erfüllung von Mizwaus (religiösen Vorschriften), wo sich ihm Gelegenheit bot; um Worte der Tora zu hören, versäumte er keinen Schiur (Lehrvortrag). Seinem Leben, glich sein Sterben. Bei vollem Bewusstsein sagte er wenige Minuten vor seinem Verscheiden mit laut vernehmbarer Stimme Widuj und... Am Tag vor Jom Kippur (Sonntag, 27. September 1925) trugen wir in in stummer Wehmut zur letzten Ruhestätte."         

  
Zum Tod von Kultusvorstand Wolf Fränkel (1926)     

Karlstadt BayrGZ 08061926.jpg (72225 Byte)Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 8. Juni 1926: "Karlstadt. Am Sonntag, dem 2. Mai dieses Jahres hat man das Tagungsmitglied, Herrn Kultusvorstand Wolf Fränkel, unter ungewöhnlich großer Beteiligung zum Grabe getragen. Der Lehrer der Gemeinde konnte wegen des Halbfeiertages nur in aller Kürze im Auftrage der Kultusgemeinde Karlstadt, der Distriktsfriedhofverwaltung Laudenbach und des Verbandes der Bayerischen Israelitischen Gemeinde die Bedeutung des Mannes und den Verlust für alle schildern. Herr Fränkel hinterlässt für das Judentum seines Kreises eine klaffende Lücke. Eine vornehme Natur, verbunden mit Einfachheit, war er der natürliche Führer seiner Gemeinde und des Distrikts. So stand auch sein Name als Geschäftsmann auf gleicher Höhe. Mit Vorliege betrieb er mit Verständnis und Geschick seine landwirtschaftlichen Anlagen in Garten, Feld und Weinberg. Seine Aussaat, in den gutjüdischen Boden seiner Familie gestreut, hat gleiche Früchte gezeitigt. Sein Andenken wird nie erlöschen!"  

    
Alfons und Recha Süßer emigrieren in die USA (1938)

Karlstadt Israelit 03111938.jpg (44302 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. November 1938: "Karlstadt am Main, 24. Oktober (1938). In diesen Tagen verließ Herr Alfons Süßer und seine Ehefrau Recha unsere Gemeinde, um sich in USA eine neue Heimat zu suchen. Unsere kleine Kehila (Gemeinde) verliert damit eines seiner treuesten und wertvollsten Mitglieder, dessen Scheiden eine tiefe Lücke zurücklässt. Nicht nur, dass Herr Alfons Süßer ein großer Gottesfürchtiger ist, der seine Liebe zur Tora täglich durch Tora-Lernen in die Tat umsetzte, widmete er seine Kraft als ehrenamtliche Vorbeter, als Baal Kore und als Baal Tokea (Schofarbläser) in uneigennütziger, meisterhafter Weise unserer Kehila (Gemeinde). So begleiten ihn unsere herzlichsten Segenswünsche."

      
      
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen 
Anzeige des Konfektions- und Manufakturwarengeschäftes Nathan Süßer (1890)  

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Dezember 1890: "Suche für mein Konfektions- und Manufakturwaren-Geschäft einen Volontär und einen Lehrling zum sofortigen oder doch baldigen Eintritt. Kost und Logis bei Vereinbarung im Hause. 
Nathan Süßer, Karlstadt am Main.
"    

  
Anzeige der Wochenbett-Wärterin Witwe H. Epstein (1891)   

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. August 1891: "Als Wochenbett-Wärterin empfiehlt sich angelegentlichst Witwe H. Epstein, Karlstadt am Main."   

   
Anzeigen des Schuhwarengeschäftes W. Fränkel (1901 / 1906)  

Karlstadt Israelit 25031901.jpg (44970 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. März 1901
"Für mein Schuhwaren-Geschäft, Engros und Detail, welches Samstags und Feiertage streng geschlossen, suche einen 
Lehrling
 
mit guter Schulbildung. Kost und Logis im Hause, und einen angehenden Commis, welcher in Schuhbranche gelernt. 
W. Fränkel
, Karlstadt am Main."   
  
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. April 1906:
 "Für mein Schuhwarengeschäft en gros und en detail, welches am Samstag und Feiertage geschlossen ist, suche zum baldigen Eintritt einen 
Lehrling
. Kost und Logis im Hause. 
W. Fränkel, Karlstadt am Main
."    

   
Anzeige der Weingroßhandlung A. Blumenthal (1906)    

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Juni 1906: "Lehrling. Ich suche per sofort einen Lehrling aus guter Familie mit guter Schulbildung und schöner Handschrift zu den günstigsten Bedingungen. 
A. Blumenthal,
Weingroßhandlung, Karlstadt am Main."     

    
Hochzeitsanzeige von Willy Süsser und Martha geb. Bravmann (1924)

Karlstadt Israelit 08051924.jpg (29310 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Mai 1924: "Gott sei gepriesen!  Willy Süsser - Martha Süsser geb. Bravmann. Vermählte. 
Karlstadt am Main - Gaukönigshofen. 28. April 1924 - 24. Nissan 5684."

   
Verlobungsanzeige von Meta Mayer und Josef Strauß (1929)

Gossmannsdorf Israelit 16051929.jpg (16219 Byte)Aus den "Familiennachrichten" in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Mai 1929: 
"Verlobte: Meta Mayer, Goßmannsdorf, Josef Strauß, Karlstadt am Main, Verlobte."

     
Verlobungsanzeige für Recha Levy und Alfons Süsser (1931)        

Kuelsheim Israelit 03091931.jpg (23298 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. September 1931: "Recha Levy - Alfons Süsser
Verlobte. Külsheim (Baden) - Frankfurt am Main - Karlstadt am Main
August 1931 - Elul 5691."

    
    
Sonstige Dokumente  
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim / Ries; weitere Angaben auf Grund der Recherchen von P.K. Müller)  

Postkarte von S. Katz (Eisenach) an die
 Malzfabrik Karlstadt (Josef Ullmann) (1928) 
Eisenach Dok 14072.jpg (198545 Byte) Eisenach Dok 14072a.jpg (43565 Byte) Eisenach Dok 14072b.jpg (222463 Byte)
Die Postkarte wurde von S. Katz, Eisenach, Kleesaaten, Getreide, Mühlenfabrikate versandt am 4. Oktober 1928 an die Malzfabrik Karlstadt, Inhaber Josef Ullmann
Josef Ullmann (geb. 23. Juni 1854 in Ickelheim, gest. 27. Februar 1923 in Würzburg) war verheiratet mit Helene geb. Heßdörfer (geb. 30. November 1859 in Ottensoos, gest. 19. September 1939 in Würzburg). Das Ehepaar hatte zwei Söhne (Kurt, geb. 1882, und Franz, geb. 1886).
Josef Ullmann war ab 1895 in Würzburg ansässig und zuerst als Prokurist in der Mohr'schen Malzfabrik tätig. Seine Schwester Johanna Ullmann war mit Leon Mohr verheiratet, der zusammen mit seinem Schwager Lazarus Adler die Malzfabrik seines Vaters Moritz Mohr übernommen hatte. 1898/1899 machte sich Josef Ullmann als Malzgroßhändler selbstständig und war danach Inhaber (Teilhaber) der Malzfabrik Karlstadt Ullmann.
Quellen: https://www.yumpu.com/de/document/view/10173509/dunkel-war-ueber-deutschland-im-westen-war-ein-letzter-/105 (Geschichte der Familie Mohr);  http://adressbuecher.genealogy.net/entry/book/415?max=25&sort=firstname&order=asc&start=S   
      

    
    
    
Zur Geschichte der Synagoge                
    
Bereits im Mittelalter gab es eine Synagoge ("Judenschul"). Über die Geschichte des Hauses liest man auf einer Hinweistafel am Gebäude Hauptstraße 28: 
  
"Nach Gründung der Stadt Karlstadt war dieses Haus jüdische Kultstätte, die Judenschul. 
Nach Ausrottung der Juden Mitte des 14. Jahrhunderts wurde das Haus Herberge, behielt aber den Namen Judenschule. 
1563 Testamentarische Verfügung und 1590 Fürstbischöflicher Entscheid, dass die 'Judenschul in Ewigkeit ein Gasthof und Wirtshaus sein und bleiben soll'. 
1593 Eintrag im Salbach: Die Judenschule ist die einzige erbliche Herberge in Karlstadt. 
1607 Umbau durch Hans Bergmüller. 
1631 Der schwedische Kundschafter Bastian von For und der schwedische Feldhauptmann Mathias von Thurn wohnten im Haus. 
1634 Der schwedische Reichskanzler Ochsenstern wohnt in der Judenschul.  
1638-1750 wechselten die Besitzer 10 mal. 
19. Jahrhundert Namensänderung Wittelsbacher Hof, etwa ab 1885 Posthalterei. 
20. Jahrhundert Hotel Post."    
 
Außen am Gebäude ist eine Bauinschrift vom Umbau 1602 zu lesen: "Anno Domini 1602 den 30. Nov. hab ich Hanß Berckmüler Angefangen diesen bau Auff zu richten. Dieses Hauß steht in Gottes Handt und ist zu der Jüdenschuel genandt". 1646 wird Joannes Meinhardt, der in der früheren Judenschule eine Gaststätte betritt, als "caupo Synagogae Judaicae" bezeichnet. 
Der Standort der mittelalterlichen Synagoge belegt nach Hans Leopold Müller (s. Lit. S. 26) "die Anwesenheit jüdischer Ansiedler bereits zum Zeitpunkt der Stadtgründung. Denn nur dort, wo die Juden am Anfang der Stadtentwicklung zur Stelle waren, konnten sie naturgemäß am Ausgangspunkt der Bebauung Platz finden". Das Gebäude wurde gegenüber einer Gassenöffnung nach Osten angelegt - der Blick nach Osten (Gebetsrichtung nach Jerusalem) blieb frei.   
   
Die im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wieder entstandene jüdische Gemeinde konnte Anfang des 20. Jahrhunderts unweit der mittelalterlichen "Judenschule" im Hauptstraße 24 einen Betsaal einrichten. 1905 hatte der damalige Vorsteher der jüdischen Gemeinde Nathan Süsser per Zeitungsanzeige nach einem geeigneten Raum zur Einrichtung eines Betsaales gesucht, nachdem die Bemühungen um städtische Hilfe fehlgeschlagen waren. Wenig später konnte im genannten Haus Hauptstraße 24 der Betsaal eingerichtet werden. In ihm wurden bis 1938 Gottesdienste abgehalten. Im Betsaal befanden sich am Toraschrein zwei Steintafeln, die aus der jüdischen Gemeinde von Unterleinach nach Karlstadt gebracht worden waren. Im Mai 1938 konnte nach Wegzug mehrerer Familien kein Minjan mehr gebildet werden. Die Gottesdienste wurden nun gemeinsam mit den Juden aus Laudenbach abgehalten.   
  
Beim Novemberpogrom 1938 drangen SS- und SA-Leute, Mitglieder der Hitlerjugend und zahlreiche Ortsbewohner (darunter Kinder und Jugendliche) in den Betsaal ein und zerstörten das Inventar einschließlich der Ritualien. 
  
Das Gebäude, in dem sich der Betsaal befand, überstand, teilweise beschädigt, die Kriegszeit und ist bis heute als Wohn- und Geschäftshaus erhalten.   
  
1949 fand vor dem Landgericht Würzburg ein Prozess gegen 15 der am Novemberpogrom von 1938 in Karlstadt Beteiligten statt. Von ihnen erhielten 10 Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu einem Jahr und zwei Monaten.   
  
  
Adresse/Standort der Synagoge mittelalterliche "Judenschule" in der Hauptstraße 28; Betsaal des 19./20. Jahrhunderts im Haus Hauptstraße 24. 
   
   
Fotos
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 1.10.2006)

Erinnerung an die mittelalterliche 
jüdische Gemeinde
Karlstadt Lit 015.jpg (64485 Byte)
  Auf der Publikation von Hans Leopold Müller ist ein Teil einer Torarolle zu sehen 
(Text aus 4. Mose 33), der als Verstärkung des Einbandes für das Salbuch von 1593
 zweckentfremdet wurde (Stadtarchiv Karlstadt) 
     
     
Mittelalterliche "Judenschul" (links) 
und Haus des Betsaals im 
19./20. Jahrhundert rechts)
Karlstadt Synagoge 101.jpg (103052 Byte)
     Auffallend ist beim Gebäude Hauptstraße 28 (links, mittelalterliche "Judenschule"), dass es die Baulinie erheblich überschreitet. Dies geht auf den Umbau 1602 zurück. Für die Überschreitung der Baulinie waren in der Folgezeit jährlich durch die Hausbesitzer fünf Pfund Gelds zu bezahlen.   
      
Karlstadt Judenschule 102.jpg (62791 Byte) Karlstadt Judenschule 100.jpg (62463 Byte) Karlstadt Judenschule 101.jpg (84017 Byte)
Äußerlich ist vom mittelalterlichen Bau 
nichts mehr zu erkennen
Inschrift vom Umbau 1602 
durch Hans Bergmüller (Berckmüller)
Tafel zur Geschichte 
des Hauses 
     
Haus des Betsaals 
bis 1938
Karlstadt Synagoge 102.jpg (75961 Byte) Karlstadt Synagoge 100.jpg (46760 Byte)
  Haus mit dem Betsaal des 19./20. Jahrhunderts (Betsaal war im Erdgeschoss) mit der Hinweistafel (zwischen den Fenstern des Erdgeschosses): "In diesem Hause befand sich bis zum 9. Nov. 1938 die Synagoge der ehem. Karlstadter Judengemeinde".
     
 Fotos von Anfang 2020
 (Fotos: Hahn, Aufnahmen vom 6.1.2020)
   
   
 Der Gebäudekomplex Hauptstraße 28 / 26 / 24  Das Haus Nr. 28 (siehe oben)  Inschrift vom Umbau 1602 (siehe oben)
     
     
  Hinweistafel Haus Nr. 28  "Stolpersteine" von 2009 (s.u.) vor Haus Nr. 26  Hinweistafel am Haus Nr. 24

     
     
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte    

März 2009: "Stolpersteine"-Verlegung in Karlstadt, Laudenbach und Wiesenfeld    
Bericht aus der "Mainpost" vom 10. März 2009 (Artikel): 
"KARLSTADT. Stolpersteine: Zeichen für eine offene Stadt. Gunter Demnig verlegt die ersten 17 Stolpersteine in Karlstadt und Laudenbach
17 Stolpersteine wird der Künstler Gunter Demnig an je vier Standorten in Karlstadt und in Laudenbach am Mittwoch, 18. März, ab 14.30 Uhr verlegen. Insgesamt sollen 51 Steine in Karlstadt, Laudenbach und Wiesenfeld an die ehemaligen jüdischen Bürger erinnern.
Wie berichtet, wird mit der Aktion der Menschen gedacht, die von den Nationalsozialisten deportiert und ermordet oder in den Freitod getrieben wurden. Die ersten vier Steine werden in Karlstadt in der Hauptstraße 26 zum Gedenken an Moses Strauss, Bertha Strauss, Siegfried Bamberger und Meta Bamberger verlegt. An diesem ersten Standort wird die Musikschule Karlstadt die Verlegung musikalisch begleiten. Wie an allen weiteren Stellen auch wird der jeweilige Pate des Opfers die biografischen Daten vortragen. Am Kirchplatz 7 wird ein Stein an Israel Rosenbaum erinnern, in der Ringstraße 18 an Jda Freudenberger, im Laudenbacher Weg 22 an Paula Bermann. 
In Laudenbach im Brunngrabenweg 8 werden Steine für Isaak Adler und Jeanette Adler liegen. Im Brunngrabenweg 4 wohnten Lothar Frank, Rosa Frank, Wolf Frank und Karl Frank. Die Steine an der Mühlecke 5 erinnern an Julius Berney und Hannchen Berney. In der Rathausstraße 10 liegen die Steine zum Gedenken an Jakob Hirschenberger und Lina Hirschenberger. Der städtische Bauhof übernimmt die vorbereitenden Arbeiten an den Standorten, damit der Künstler seine Steine einlassen kann – vor der letzten frei gewählten Wohnung des Opfers. Gunter Demnig fertigt einen Würfel, der mit einer Messingplatte abschließt. Darauf steht in der Regel der Schriftzug 'Hier wohnte', Name, Geburtsjahr, meist das Datum der Deportation oder des Todes. Der Pate wird nicht vermerkt. Finanziert werden die 'Stolpersteine' durch Patenschaften. Ein Stein kostet 95 Euro. 'Die Aktion hat eine sehr positive Resonanz gefunden', sagt Anna Elisabeth Hennrichs, Leiterin der Karlstadter Volkshochschule. 'Für über 40 Steine sind schon Patenschaften angemeldet.' Unter dem Dach der Vhs hat sich, wie berichtet, der 'Arbeitskreis Stolpersteine' formiert, der die Aktion für Karlstadt initiierte. Der Stadtrat sprach sich einstimmig dafür aus. Besonders beeindruckt und erfreut zeigt sie sich darüber, dass einige heutige Hausbesitzer von sich aus auf den Arbeitskreis zugegangen sind und Patenschaften übernommen haben. 'Das ist der Idealfall.' Obwohl die Steine in öffentlichem Grund liegen, wollte man nicht gegen den Willen der Hausbesitzer agieren. Aber in Karlstadt und Laudenbach verlaufe die Aktion 'völlig unproblematisch'. Durch die Steine werde öffentlich und sichtbar der jüdischen Opfer gedacht, sagt Georg Schnabel, Mitglied des Arbeitskreises und Betreuer des Judenfriedhofs in Laudenbach. 'Die Stadt steht zu ihrer jüdischen Geschichte.' Die Steine transportierten Karlstadt als eine offene, eine weltoffene Stadt. Er wird bei der Verlegung der Steine jeweils das 'Gebet für die Opfer des Holocausts' sprechen. 'Das Judentum bereicherte unsere Gesellschaft, machte sie leuchtend wie die Steine', ergänzt Anna Elisabeth Hennrichs. Mit dieser Aktion stehe die Stadt Karlstadt dazu, dass es jüdische Opfer gab. Sie verdränge die Erinnerung nicht, sondern, im Gegenteil, sie pflege sie.
Im Herbst 2009 soll die Aktion abgeschlossen werden und alle Steine für die jüdischen Bürger in Karlstadt, Laudenbach und Wiesenfeld sollen verlegt sein. Aber auch in Karlstadt habe es Euthanasie-Opfer gegeben, sagt Hennrichs. 'Das ist Fakt, aber da müssen noch die Details recherchiert werden.' Und noch wisse man nichts über andere Opfer wie Deserteure oder Homosexuelle. Begleitend zur ersten Stolperstein-Verlegung in Karlstadt führt die Theatergruppe des Johann-Schöner-Gymnasiums im Theater in der Gerbergasse 'Die Karlstadter Juden unter dem Hakenkreuz' auf. Die Szenenfolge wird am Donnerstag, 12. März, und am Sonntag, 15. März, jeweils um 19.30 Uhr gezeigt." 
     
Artikel von Michaela Moldenhauer in der "Mainpost" vom 19.3.2009:
KARLSTADT. Das Grauen begann vor der Haustür - Stolpersteine als Bekenntnis zu dunklem Kapitel in der Karlstadter Geschichte
Nicht erst in Treblinka oder Ausschwitz, sondern bereits vor der eigenen Haustür, im eigenen Haus, begann das unvergleichliche Grauen der Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten. 17 Stolpersteine erinnern nun vor den Türen der letzten freigewählten Wohnungen an die jüdischen Opfer in Karlstadt und in Laudenbach. Der Künstler Gunter Demnig ließ die Steine an acht Verlegeorten in den Boden ein. Anna Elisabeth Hennrichs, Leiterin der Karlstadter Volkshochschule, unter deren Dach der Arbeitskreis Stolpersteine agiert, eröffnete am ersten Verlegeort in der Hauptstraße 26 den feierlichen Akt, zu dem sich etliche Teilnehmer eingefunden hatten. 1910 habe es noch 72 jüdische Bürger in der Karlstadter Kernstadt gegeben, 1939 waren es sechs, und seit 1941 gibt es keine mehr. Sie passten nicht in das Weltbild der Nationalsozialisten und wurden, wie Homosexuelle, Wehrdienstverweigerer, Deserteure und viele andere, deportiert und umgebracht. Mit der Aktion Stolperstein wolle der Künstler Gunter Demnig verhindern, dass die Opfer vergessen werden, so Hennrichs. Über die Steine solle der Betrachter nicht mit den Füßen, sondern mit den Augen stolpern, wenn sie messing-glänzend aus dem grauen Straßenbelag hervorleuchten. Mit der Verlegung bekenne sich die Stadt Karlstadt zu einem der dunkelsten Kapitel ihrer über 800-jährigen Geschichte.   
"Die Stadt als solche steht hinter der Aktion", sagte Karlstadts Bürgermeister Paul Kruck. Die Verlegung werde von vielen begleitet. Die Stadt blende dieses dunkle Kapitel nicht aus. "Auch das gehört zur Aufarbeitung der Geschichte." Nachdem Gunter Demnig die Steine in die vom Karlstadter Bauhof vorbereiteten Löcher eingelassen hatte, verlasen die Paten der Stolpersteine in kurzen Worten die biografischen Daten der Opfer. Die ersten vier Steine in der Hauptstraße 26 wurden zum Gedenken an Moses Strauß, Bertha Strauß, Siegfried Bamberger und Meta Bamberger verlegt. Axel von Erffa hat mit seiner Frau Susanne die Patenschaften für die Familie Bamberger übernommen: "Siegfried Bamberger wurde am 22. Mai 1896 in Wiesenfeld geboren. Er war mit Meta Strauß, geboren am 11. Februar 1909 in Rieneck, der Tochter von Moses und Bertha Strauß, verheiratet. Als er am 30. August 1937 in dies Haus seiner Schwiegereltern einzog, gab er als Beruf Privatier an. Nachdem sie das Haus nach dem November-Pogrom 1938 verkauft hatten, zogen Siegfried und Meta Bamberger nach Würzburg. Von dort wurden sie nach Riga deportiert und am 27. November 1941 ermordet."  Georg Schnabel, im Arbeitskreis und Betreuer des jüdischen Friedhofs in Laudenbach, sprach das "Gebet für die Opfer der Shoa, der Massenvernichtung. Nach jüdischem Brauch legte er als Zeichen der Ehrerbietung je einen kleinen Stein auf die im Pflaster liegenden Mahnmale. Teilnehmer schmückten die Steine mit Blumen. Alexander Streib, Leiter der Karlstadter Musikschule, und Tochter Franziska untermalten an Klavier und Klarinette mit Klezmer-Klängen den Auftakt der Verlegung in der Hauptstraße. Am Kirchplatz 7 erinnert nun ein Stein an Israel Rosenbaum, in der Ringstraße 18 an Jda Freudenberger, im Laudenbacher Weg 22 an Paula Bermann. 
In Laudenbach wurde die Verlegung ebenfalls mit der kleinen Ansprache von Anna Elisabeth Hennrichs und musikalischer Begleitung von Karlheinz Haase auf der Geige eingeleitet. Auch hier nahmen etliche Bürger teil. In Laudenbach gab der Künstler Demnig einen kleinen Abriss über sein Leben und Werk. Er sprach von der Zustimmung, auf die er mit seiner Aktion stößt, aber auch von Ablehnung, die bislang in drei Morddrohungen gipfelte. Im Brunngrabenweg 8 liegen nun Steine für Isaak Adler und Jeanette Adler. Im Brunngrabenweg 4 wohnten Lothar Frank, Rosa Frank, Wolf Frank und Karl Frank. Die Steine an der Mühlecke 5 erinnern an Julius Berney und Hannchen Berney. In der Rathausstraße 10 liegen die Steine zum Gedenken an Jakob Hirschenberger und Lina Hirschenberger. Die Paten sind: katholische Kirche St. Andreas, evangelische Kirche St. Johannis, Axel von Erffa, Susanne von Erffa, der Historische Verein, Gustav Eichler, das Furnierwerk Kohl, Dagmar Kretzinger, Peter Kretzinger, Karl-Heinz Stumpf, Marliese Stumpf, die Laienspielgruppe Laudenbach, die Theatergruppe des Johann-Schöner-Gymnasiums, Georg Schnabel und Marlene Schnabel. Im Herbst sollen weitere Steine verlegt werden.

    
     

Links und Literatur 

Links: 

bulletWebsite der Stadt Karlstadt   
bulletWebsite des Historischen Vereins Karlstadt 

Literatur:  

bulletGermania Judaica II,1 S. 387-388.  
bulletBaruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979 S. 328-329.    
bulletIsrael Schwierz:  Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. A 85. 1992² S. 80.   
bulletPinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany - Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 543-545. 
bulletKarlstadt Lit 190.jpg (71536 Byte)Andrea Gehring / Manfred Schneider: Die Karlstadter Juden unter dem Hakenkreuz, Analyse einer antisemitischen Politik - "auf Ansuchten bestätigt, dass er Nichtarier ist!" Jüdische Familien und Personen in Karlstadt 1901-1939. Schriftenreihe des Stadtarchivs Karlstadt. Bd. 1. Karlstadt 2003. 
Zu beziehen beim Stadtarchiv Karlstadt Zum Helfenstein 2  97753 Karlstadt  
Tel. 09353 - 7902-64  Fax 09353 - 7902-99  archiv[et]karlstadt.de    9,50 € ink. Porto und Verpackung  
bulletMSP Publikation 01.jpg (23157 Byte)Leonhard Scherg: Jüdisches Leben im Main-Spessart-Kreis. Reihe: Orte, Schauplätze, Spuren. Verlag Medien und Dialog. Haigerloch 2000 (mit weiterer Literatur).  
bulletKarlstadt Lit 015.jpg (64485 Byte)Hans Leopold Müller: Mit jüdischem Eckstein. Die Gründung der Stadt Karlstadt. Karlstadt 2011. ISBN 978-3-9812392-8-7. Verlag Gerhard Kralik Karlstadt. 
Die Publikation ist beim Historischen Verein Karlstadt erhältlich (Hauptstraße 9-11, 97753 Karlstadt, Tel. 09353-3536, E-Mail), 
vgl. www.historischer-verein-karlstadt.de  
bulletGustav Eichler / Manfred Schneider. Jüdische Spuren in der Altstadt. Erschien im Karlstadter Jahrbuch 2008/2009 im Verlag Gerhard Kralik, Karlstadt 2008.
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bulletBayern Synagogengedenkbuch IMG_20150803_0001.jpg (85625 Byte)"Mehr als Steine...." Synagogen-Gedenkband Bayern. Teilband III: Unterfranken, Teil 1. Erarbeitet von Axel Töllner, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Hans Schlumberger. Hg. von Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid und Gury Schneider-Ludorff in Verbindung mit Meier Schwarz. Synagogue Memorial Jerusalem. Bd. 3: Bayern. 1. Auflage 2015. Kunstverlag Josef Fink Lindenberg im Allgäu (mit umfassenden Quellen- und Literaturangaben)
ISBN 978-3-89870-449-6.
Hinweis: die Forschungsergebnisse dieser Publikation wurden in dieser Seite von "Alemannia Judaica" noch nicht eingearbeitet.
Abschnitt zu Karlstadt mit Karlburg S. 225-233.

    
      


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Karlstadt Lower Franconia. Jews were victims of the Rindfleisch massacres of 1298. The modern settlement commenced in the late 19th century, numbering 72 in 1910 (total 3.225) and 35 in 1933. On Kristallnacht (9-10 November 1938), SS and SA troops together with Hitler Youth vandalized the community's prayer hall and Jewish homes. Thirty-one Jews left Karlstadt in 1936-1940; 12 are known to have reached the United States.       
        
          

                   
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Stand: 15. Oktober 2013