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Tauziehen um Synagogenneubau

Religionsgemeinschaft Baden stellt Standort Sigismundstraße in Frage

von CLAUDIA RINDT


Ich bin erleichtert". Mit diesem Satz kommentierte Benjamin Nissenbaum von der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz im November vergangenen Jahres den Abschluss der Planungen für den Neubau der Synagoge mit Gemeindezentrum und angeschlossenem koscheren Restaurant in der Sigismundstraße. Vorausgegangen waren Jahrzehnte des Suchens nach einem geeigneten Grundstück. Jetzt schüttelt Benjamin Nissenbaum den Kopf über die Vorgänge hinter den Kulissen. Während Konstanz auf baureifen Plänen sitzt und die Ausschreibung vorbereiten will, stellt Jacob Goldenberg von der Israelitischen Religionsgemeinschaft (IRG) Baden den Standort Sigismundstraße in Frage. Der Vorsitzende des Oberrats sucht in Konstanz nach einer neuen Immobilie.

"Das ist kein Standort für ein kulturelles Zentrum", sagt Goldenberg im Gespräch mit dem SÜDKURIER über den Bauplatz in der Sigismundstraße. In der schmalen Gasse sei die geplante Synagoge mit dem Gemeindezentrum weder optisch präsent, noch könne sie zufriedenstellend geschützt werden. "Mit einem Auto ist die ganze Gasse blockiert." Auch die Bodenverhältnisse seien in der Sigismundstraße schwierig. "Wir sind auf der Suche nach anderen Standorten", bekräftigt Goldenberg. Sie sollen der Israelitischen Kultusgemeinde als Empfehlung vorgelegt werden.

Wie aus gut informierten Kreisen zu erfahren war, will Goldenberg in Konstanz schon eine Immobilie an der Laube unter die Lupe genommen haben. In der Israelitischen Religionsgemeinschaft sind zehn jüdische Gemeinden in Baden vertreten. Konstanz ist beim Neubau der Synagoge auf die Zuschüsse der Dachorganisation angewiesen. Die Familie Nissenbaum war schon vor Monaten Angriffen des Oberrats ausgesetzt. Wegen angeblicher Zweifel an seiner Religionszugehörigkeit wurde Gideon Nissenbaum, der Bruder von Benjamin Nissenbaum, vergangenes Jahr als Mitglied des Oberrats ausgeschlossen.

Benjamin Nissenbaum von der Israelitischen Kultusgemeinde in Konstanz zeigt sich überrascht von den neuen Vorstößen aus Baden. Er betont, die Gemeindemitglieder in Konstanz stünden "eindeutig" hinter den Plänen in der Sigismundstraße. Die IRG als Dachorganisation der Israelitischen Gemeinden in Baden sei in alle Planungsschritte einbezogen worden und sie habe gegenüber der Stadt Konstanz auch schon schriftlich die Zuschüsse zugesagt. Jetzt gehe es noch um die Freigabe der Mittel. Den Schachzug, jetzt neu die Grundstücksfrage zu stellen, wertet Benjamin Nissenbaum als "Verzögerungstaktik." Er fragt sich, warum Goldenberg Zeit gewinnen wolle.

Bei der aktuellen Auseinandersetzung geht es offenkundig auch um die Frage, wer über die Synagoge künftig das Sagen hat. Die IRG betrachtet sich nach Angaben Goldenbergs selbst als Bauherr. Sie fordert von der Israelitischen Kultusgemeinde in Konstanz, alle Finanzpläne offen zu legen. Die anvisierte Summe von 3,1 Millionen Euro für den Neubau der Synagoge und die Renovierung des denkmalgeschützten früheren Hotels Anker für die Gemeinderäume erscheinen Goldenberg zu hoch. "Wir wollen keinen Cent mehr ausgeben als notwendig." Er übt auch Kritik am geplanten koscheren Restaurant. Goldenberg führt an, in dem Bau dürfe kein Privatmann Geld verdienen.

Benjamin Nissenbaum sagt dagegen, auch in Städten wie Berlin, Frankfurt oder Stuttgart seien koschere Restaurants an Synagogen und Gemeindezentren angeschlossen. Im übrigen seien die Pläne der IRG immer offen gelegt worden: "Die Gemeinde will, was in der Baugenehmigung steht und nichts anderes."

Für die Stadt Konstanz ist die örtliche Israelitische Kultusgemeinde Ansprechpartner. Sie hat die Baugenehmigung beantragt und auf sie wurden Ende 2003 als städtischer Zuschuss für den Bau des Gemeindezentrums Grundstück und Gebäude des früheren Hotels "Anker" im Wert von 615000 Euro übertragen. Zum rechtlichen Vertrag gehört eine Baupflicht, die bis 2008 erfüllt sein muss. Kommt ihr die Konstanzer Kultusgemeinde nicht nach, kann der Konstanzer Gemeinderat über eine Verlängerung entscheiden. Anderenfalls fiele das Grundstück an die Stadt zurück. Bürgermeister Volker Fouquet hofft aus städtebaulicher Sicht auf eine schnelle Lösung in der Sigismundstraße. "Es ist die letzte Baulücke im Quartier. Wir warten ungeduldig auf den Vollzug." Die alte Konstanzer Synagoge wurde 1938 niedergebrannt. SS- Truppen setzten das Gebäude zunächst in Brand, später sprengten sie es.

Mit dem Abbruch der Nebengebäude des früheren Hotels Anker hatten Ende vergangenen Jahres die Vorbereitungsarbeiten für den Neubau der Synagoge und des Gemeindezentrums in der Sigismundstraße begonnen. Danach sollte das Gelände den Archäologen überlassen werden. Sie vermuten unter der Erde Reste des früheren Hafens. Auch ihr Einsatz ist bis auf weiteres verschoben.