Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Boehl Synagoge 006.jpg (32325 Byte)(links: Die Synagoge in Böhl: Quelle)  


Böhl-Iggelheim
(Rhein-Pfalz-Kreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge (in Böhl)

 

Übersicht: 

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer 
Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde  
Kennkarte aus der NS-Zeit    
bulletZur Geschichte des Betsaals / der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen  
bulletErinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte   
bulletLinks und Literatur   

   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde         
   
In Böhl-Iggelheim bestand eine jüdische Gemeinde bis 1940. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück. 1744 wohnten in Iggelheim drei jüdische Familien, in Böhl war es eine Familie. 
  
Anfang des 19. Jahrhunderts lebten in Böhl zwar vorübergehend keine Juden, doch ließen sich bald wieder einige Familien nieder. Ihre Zahl stieg von 0 (1801) auf 8 (1808; 0,7 % der Einwohnerschaft), 25 (1821), 37 (1825, 2,6 % der Einwohnerschaft) auf 70 (1845). 1848 wurde mit 79 Personen in 15 Familien allerdings bereits die Höchstzahl erreicht. Durch Aus- und Abwanderung ging die Zahl rasch zurück. Bereits 1875 waren es nur noch 17 jüdische Einwohner, 1893 21, 1900 14. Bis 1910 waren alle vom Ort verzogen. 
  
In Iggelheim wurden 1801 14 jüdische Personen gezählt (1,2 % der Einwohnerschaft), 1808 15 (1,2 %), 1821 23, 1825 27 (1,6 %), 1845 37. Die Höchstzahl wurde hier 1866 mit 44 jüdischen Gemeindegliedern erreicht. In Iggelheim setzte die Aus- und Abwanderung nicht in derselben Weise wie in Böhl ein, sodass hier um 1900 noch 34 jüdische Personen gezählt wurden. 
  
1808/09 werden als jüdische Haushaltsvorstände genannt: in Böhl Abraham Gerson I, Abraham Gerson II (Viehhändler) und Joseph Gerson (Viehhändler); in Iggelheim Michel Mayer (Metzger), Samuel Mayer (Kleinhändler) und Simon Mayer (Gebrauchtwarenhändler). 
    
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine Schule (Religionsschule) und ein rituelles Bad. Die Toten der Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof in Haßloch beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Einer der ersten namentlich bekannten Lehrer war Jacob Mayer Eppstein, der von 1806 bis 1808 als Lehrer in Iggelheim tätig war (danach in Ruchheim). Die Gemeinde gehörte zum Bezirksrabbinat Frankenthal (Sitz des Rabbinats in Bad Dürkheim).
 
Um 1925 (bereits damals "Synagogengemeinde Böhl-Iggelheim"), als noch 20 jüdische Gemeindeglieder (alle in Iggelheim) gezählt wurden (0,7 % von ca. 2.800 Einwohnern), bildeten den Synagogenvorstand die Herren Julius Mayer, Max Blum und Moritz Wälder. 1932 werden Julius Mayer als 1. Vorsitzender, Eduard Marschall als 2. Vorsitzender und als Schriftführer Moritz Wälder genannt. 
 
1933 wurden in Böhl-Iggelheim noch 16 jüdische Einwohner gezählt, 1938 noch 14 oder 15. Erst nach den Ereignissen in der Pogromnacht 1938 verzogen einige dieser Personen. Sieben Iggelheimer Juden wurden im Oktober 1940 nach Gurs deportiert. 
   
Von den in Böhl geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Max Bender (1861), Alfred Gerson (1863), Ernst (Ernest) Roos (1893).
    
Von den in Iggelheim geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Franziska Blum (1913), Johanna Blum geb. Rhein (1889), Max Blum (1877), Friedrich Mayer (1894), Ludwig Mayer (1901), Michael Mayer (1858), Susanna Mayer (1895). 
  
Im Oktober 2013 wurde zum Gedenken an die aus Böhl-Iggelheim deportierten jüdischen Personen ein Gedenkstein auf dem Friedhof der Gemeinde eingeweiht mit der Inschrift: "Das Geheimnis der Versöhnung heißt Erinnerung. Wir erinnern an unsere im Okt. 1940 nach Gurs deportierten Mitbürger jüdischen Glaubens. Michael Mayer mit Tochter Susanne. Max und Johanna Blum mit Tochter Franziska. Moritz und Rosa Wälder und unseren 1939 verurteilten Mitbürger der Glaubensgemeinschaft Jehovas Zeugen Jakob Bug. Wir gedenken aller Menschen, die in den Jahren 1933-1945 durch Unrecht und Gewalt des Nationalsozialismus deportiert, ermordet, verurteilt und erniedrigt worden. Die Bürger der Gemeinde Böhl-Iggelheim 2013."     
     
     
     
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
     
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1890 (Vertretung für die Hohen Feiertage) / 1900  

Boehl Israelit 28081890.jpg (35311 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. August 1890: "Kultusgemeinde Böhl-Iggelheim sucht für Rosch HaSchana (Neujahr) und Jom Kippur einen Chasan (Kantor) und Baal Tokea (Schofarbläser) zur Aushilfe. Bewerber aus der Pfalz oder Baden wollen sich an den Unterzeichneten wenden. Jacob Mayer III., Iggelheim (Rheinpfalz).        
  
Boehl Israelit 18101900.jpg (50790 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Oktober 1900: "Zu besetzen 
die Stelle für Vorbeter, Religionslehrer und Schächter in Böhl (bayerische Pfalz). Gehalt Mark 300, Nebenverdienst 120 Mark, Wohnung 130 Mark, zusammen 550 Mark, auch kann ein Nebengeschäft nebenbei betrieben werden. Reflektanten wollen sich innerhalb 14 Tagen brieflich anmelden. 
Der Vorstand: Samuel Gerson."         
 
Boehl Israelit 25101900.jpg (48595 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Oktober 1900: "Zu besetzen 
die Stelle für Vorbeter, Religionslehrer und Schächter in Böhl (bayerische Pfalz). Gehalt Mark 300, Nebenverdienst 120 Mark, Wohnung 130 Mark, zusammen 550 Mark, auch kann ein Nebengeschäft nebenbei betrieben werden. Reflektanten wollen sich innerhalb 14 Tagen brieflich anmelden. 
Der Vorstand: Samuel Gerson."     
    

        
Über die Familie des jüdischen Lehrers Jacob Mayer Eppstein (Lehrer in Iggelheim von 1806-1808, danach in Ruchheim
- Beitrag von Rolf Michael Mayer (2009, E-Mail)   

Vom Taunus über Frankfurt und Mannheim nach Fußgönheim, Ruchheim und Mutterstadt
HaLevi – Eppstein – Eppler – Mayer. Vier Namen – eine Familie

1335 erteilte Kaiser Ludwig IV. (Ludwig der Bayer) Gottfried von Eppstein die Erlaubnis, im Tal und an seiner Burg Eppinstein im Taunus 10 jüdische Familien anzusiedeln. 1392 zog eine dieser Familien von dort nach Frankfurt am Main. Ihr ursprünglicher Name war HaLevi gewesen, was sie als Angehörige des Stammes der Leviten auswies. 
Wie bei vielen Juden wurde dieser Herkunftsort zum späteren Nachnamen - hier Koppelmann (von) Eppstein. Nathan HaLevi Eppstein war von 1450 - 1470 Oberrabbiner in Frankfurt. Während des Fettmilch-Aufstandes 1612 - 1614 wurden alle Juden aus Frankfurt vertrieben und die inzwischen weit verzweigte Familie Eppstein zerstreute sich in alle Richtungen.
1674 tauchte der Name erstmals in Mannheim auf, als ein Jesaias Eppstein als Mitbegründer der jüdischen Begräbnisbruderschaft genannt wird. Ab 1730 wird ein Jacob Eppstein mehrmals in den Mannheimer Ratsprotokollen erwähnt. 1743 saß er wegen nicht bezahlter Verbindlichkeiten zeitweise im Arrest.
Die drei Kinder seines Sohnes Mayer Löb Eppstein gingen in die Pfalz: Sara als Dienstmagd nach Mutterstadt, ebenso ihr Bruder Joseph, der in der dortigen jüdischen Gemeinde Vorsänger wurde. Er nannte sich später "Eppler" und ist der Ur-Urgroßvater von Heinz Eppler, der mit seinen Eltern vor den Nazis flüchten musste und heute in den USA lebt. 
Heinz Epplers Großvater Isidor starb 1941 im Lager Gurs in den Pyrenäen und dessen zweite Frau Bertha 1944 in Marseille. 
Joseph Eppler starb 1869 in Mutterstadt und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Fußgönheim begraben.
Der dritte, Jacob Mayer Eppstein arbeitete 1806 als Lehrer in Iggelheim und heiratete 1807 in Fußgönheim die Tochter des Händlers Moyse Hirsch. 1808 ging er nach Ruchheim, wo er eine Anstellung als Lehrer der jüdischen Gemeinde gefunden hatte. Hier wurde 1810 der Sohn Jacob geboren, der später ebenfalls Lehrer wurde und im Saarland und Hunsrück tätig war. Aus dieser Linie stammen die Eppsteins, die heute in Israel, USA und anderen Teilen der Welt leben. 
Ebenso Dr. Paul Eppstein (vgl. Wikipedia-Artikel zu ihm), der 1902 in Ludwigshafen geboren wurde und von 1928 - 1933 Leiter der Volkshochschule Mannheim war, bis die Nazis ihm die weitere Ausübung dieser Tätigkeit untersagten. Er ging daraufhin nach Berlin in die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, von wo er im Januar 1943 mit seiner Frau, Dr. Hedwig Strauss, ins Lager Theresienstadt deportiert wurde. Dort angekommen, wurde er zum "Ältesten der Juden" bestimmt. In dieser Funktion hatte er die Anordnungen der Lagerleitung umzusetzen. Am 27. September 1944 wurde er von der SS verhaftet und erschossen. 
Ein weiterer Nachkomme der Ruchheimer Linie war Eugen Eppstein, der als Mitglied der KPD 1924 Reichstagsabgeordneter der Weimarer Republik war und 1943 im KZ Lublin-Majdanek ermordet wurde. Sein Name findet sich auf einer Liste mit 33 Namen bekannter deutscher Persönlichkeiten wie Albert Einstein, Heinrich Mann oder Kurt Tucholsky, welche die Nationalsozialisten 1933 ausbürgern wollten.
Der offizielle Name der Familie war seit 1807 Mayer, ohne dass der Name Eppstein gänzlich abgelegt wurde und die meisten Familienteile nannten sich später wieder Eppstein.
Nach seiner Tätigkeit als jüdischer Dorfschullehrer von Ruchheim ging Jacob Mayer Eppstein nach Fußgönheim zurück, wo 1814 Jacob Salomon Mayer (der Ur-Urgroßvater des Verfassers) geboren wurde. Sein Vater Jacob Mayer Eppstein starb 1845 in Worms, wo er von einer Pferdekutsche überfahren wurde.
Jacob Salomon Mayer behielt den Namen Mayer bei. Mit seiner Ehefrau Esther Levi aus Altdorf bei Edenkoben hatte er acht Kinder. Sohn Emanuel war mit Susanna Joel verheiratet, deren Familie ebenfalls in Fußgönheim wohnte. Emanuels Tochter Bertha wurde mit ihrem Ehemann Alfred Bernstein ins Lager Gurs deportiert. Bertha starb 1944 in Limoges, ihr Mann im gleichen Jahr im Lager Nexon.
Welche Mitglieder der Familie im ehemaligen "Mayer-Haus" - es war das zweite Haus rechts neben der Kirche – wohnten, ist nicht bekannt. Die Gräber von Emanuel und Susanna Mayer findet man ebenfalls auf dem jüdischen Friedhof in Fußgönheim.
Moses Mayer, ein weiterer Sohn Jacob Salomons, zog nach Oggersheim, wo 1882 Sohn Albert (der Großvater des Verfassers) geboren wurde. Albert war 1914 nach Mannheim verzogen, wo er eine Fischhandlung betrieb. Er war mit einer nichtjüdischen Frau verheiratet, die nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten regelmäßig von der Gestapo bedrängt wurde, sich von ihrem jüdischen Mann scheiden zu lassen, was sie jedoch strikt ablehnte. Die Ehe mit einer "arischen" Frau hat Albert Mayer letztendlich das Leben gerettet, denn er wurde – wie die meisten Juden aus Mischehen – erst spät, im Frühjahr 1945 in das KZ Theresienstadt deportiert. Zu dieser Zeit gingen von dort keine Transporte mehr in die Vernichtungslager im Osten. In Theresienstadt traf er seine Schwester Ella wieder, die bereits 1944 deportiert worden war. 
Im Juni 1945 kehrten beide unversehrt nach Deutschland zurück, doch mindestens 18 Mitglieder der Familie Eppstein - Eppler - Mayer verloren im Holocaust ihr Leben."  

       
       
Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde 
80. Geburtstag von Michael Mayer (im Artikel: Maier) in Iggelheim (1938)   
Anmerkung: Michael (Michel) Mayer, geb. 4. April 1858 in Iggelheim, wurde am 22. Oktober 1940m in das Internierungslager Gurs deportiert, wo er am 24. November 1940 umgekommen ist.      

Artikel in "Jüdisches Gemeindeblatt für das Gebiet der Rheinpfalz" vom 1. April 1938: "Iggelheim. Am 4. April begeht Herr Michael Maier die Feier seines 80. Geburtstages in erfreulicher geistiger und körperlicher Frische. Herr Maier amtierte jahrelang ehrenamtlich als Vorbeter seiner Gemeinde. Wir wünschen dem gottesfürchtigen und wohltätigen Mann einen gesegneten Lebensabend. S.M.Sp."     

      

Kennkarte aus der NS-Zeit            
               
Am 23. Juli 1938 wurde durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch" galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt. 
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände: Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV: Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm. Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de       
 
 Kennkarten zu Personen, 
die in Iggelheim geboren sind
 
 Iggelheim KK MZ Mayer Joseph.jpg (92740 Byte)  
   Kennkarte (ausgestellt in Mainz 1939) für Joseph Mayer (geb. 6. November 1869) in Iggelheim, Kaufmann     

       
       
  
 
  
Zur Geschichte des Betsaals / der Synagoge            
    
Eine erste Synagoge wird 1815 genannt. Sie war inzwischen für die in dieser Zeit rasch gewachsene Gemeinde zu klein geworden, zumal sie auch von den jüdischen Familien aus Schifferstadt besucht wurde. Ihr Standort ist nicht mehr bekannt. Er war nicht identisch mit dem Standort der 1840 fertiggestellten Synagoge, da im Bericht zur Einweihung von einem "Zug von der alten zur neuen Synagoge" zu Rede ist. 
      
In den 1830er-Jahren planten die Böhl lebenden Juden den Bau einer neuen Synagoge. Josef Gerson hatte hierfür ein Baugrundstück kostenlos zur Verfügung gestellt. Unter erheblichen finanziellen Opfern (der Bau kostete mindestens 5.000 Gulden) konnte ein für die relativ kleine Gemeinde sehr repräsentativer Bau erstellt werden. Bezirksbauschaffner Foltz hatte die Pläne gezeichnet. Er orientierte sich beim Bau an der Synagoge in Ingenheim. Am 27. Dezember 1840 wurde die neue Synagoge feierlich von Rabbiner Aron Merz (Frankenthal) eingeweiht.   

Boehl AZJ 06021841.JPG (92891 Byte)Speyer, 17. Januar. Am 27. des vorigen Monats fand in dem benachbarten Orte Fehl (verschrieben für Böhl!) die Einweihung einer neuen Synagoge statt, welche die dortige kleine Gemeinde mit großem Opfer erbaute. Ich bemerke mit Vergnügen, dass viele christliche Einwohner durch Geld und Arbeit ihr Scherflein zu derselben beigetragen. Die Gemeinde besoldet auch einen sehr guten Religionslehrer sehr reichlich. Die Einweihung ging feierlich vonstatten. Der Zug von der alten zu neuen Synagoge, bei welchem der Sängerchor und die Schuljugend Lieder sangen, wurde auch von der protestantischen Geistlichkeit und Schullehrern begleitet, die letzteren wirkten in der Synagoge beim Gesange mit. Allerdings war aber der katholische Geistliche und sein Schullehrer entfernt geblieben. Herr Rabbiner Merz hielt eine sehr erbauliche Predigt über wahre Gottesverehrung. Der Psalm 150 schloss die Feierlichkeit, an die sich aber das Minchagebet im Chore auf höchst angemessene Weise reihte. Christ und Israelit verließen tief bewegt und zum Herrn erhoben das Gotteshaus.
Ein ausführlicher Artikel erschien zur Synagogeneinweihung in einer Beilage zur "Neuen Speyerer Zeitung" 
Boehl Neue Speyerer Zeitung 17011841.jpg (144415 Byte)Artikel in der "Beilage zur Neuen Speyerer Zeitung" vom 17. Januar 1841: "Die Synagogeneinweihung zu Böhl..."    
Boehl Neue Speyerer Zeitung 17011841a.jpg (28612 Byte)   

Die Synagoge wurde gemeinsam von den in Iggelheim und Böhl lebenden jüdischen Einwohnern besucht. 1906 brannte sie teilweise ab, konnte jedoch wieder aufgebaut werden. Auf Grund der zurückgegangenen Zahl der jüdischen Gemeindeglieder an beiden Orten wurden in der Böhler Synagoge in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg nur noch gelegentlich, insbesondere an den Festtagen Gottesdienste gefeiert. Nachdem nur noch in Iggelheim Juden lebten, gingen diese zu den Gottesdiensten meist nach Hassloch. Man investierte jedoch auch noch in der Böhler Synagoge für deren Erhalt, indem 1920 mit einer erheblichen Summe bauliche Verbesserungen vorgenommen wurden und 1932 noch elektrisches Licht gelegt wurde. 
      
Seit 1937 war die in der Synagoge befindliche Wohnung an eine nichtjüdische Familie mit fünf Kindern vermietet. Beim Novemberpogrom 1938 wurde (am Morgen des 10. November) die Mieterin vom Bürgermeister und Ortsgruppenleiter von Böhl (Adolf Konrad) auf das Rathaus zitiert. Es wurde ihr eröffnet, dass sie mit ihrer Familie innerhalb von dreißig Minuten aus der Wohnung verschwinden müsse, da die Synagoge angezündet werden solle. Freilich fand sich in den nächsten Stunden keine Wohnung, weswegen der Bürgermeister um die Mittagszeit ihr mitteilte, dass "wegen Gefährdung arischen Besitzes" die Synagoge nicht angezündet, sondern nur systematisch zerstört werden solle. Gemeindebedienstete, Aktivisten von NSDAP und SA sowie Einwohner des Ortes, auch Frauen und Jugendliche richteten in den kommenden Stunden das Werk der Schändung und Verwüstung der Synagoge an. Mit Äxten, Hacken, Knüppeln wurde die gesamte Inneneinrichtung einschließlich der Torarollen sowie Fenster und Türen  zerstört. Das Gebäude wurde weitgehend zerstört, selbst die Dachziegel wurden abgedeckt. Auch die Wohnung der Mieterfamilie wurde verwüstet, die Mieterin tätlich angegriffen, als sie sich dagegen wehren wollte. Im Juni 1940 ging das Synagogenanwesen kostenlos in den Besitz der Gemeinde Böhl-Iggelheim, da Kaufpreis gegen Abbruchkosten gegeneinander aufgerechnet wurden. Das Synagogengebäude wurde noch im selben Jahr abgebrochen. 1951 zahlte die Gemeinde 4.500 DM als "Wiedergutmachung" an die Jüdische Kultusgemeinde der Rheinpfalz. 
     
Am 28. November 1971 wurde am Standort der Synagoge ein Gedenkstein aufgestellt mit der Inschrift: "Hier stand bis zu ihrer Zerstörung durch die Nationalsozialisten am 9.11.1938 die Synagoge der jüdischen Kultusgemeinde Böhl-Iggelheim". 
Bei Bauarbeiten für einen Erweiterungsbau der Johannes-Fink-Grundschule in Böhl wurde Anfang 2021 ein Teil der Fundamente der ehemaligen Synagoge entdeckt. Diese Fundamente bleiben als Bodendenkmal erhalten, werden aber nicht ausgegraben.
     
In Iggelheim wurde in der Gedenkstätte für die Gefallenen der beiden Weltkriege eine zusätzliche Platte eingelassen mit den Namen der Iggelheimer Bürger, die im KZ waren. Drei Namen von jüdischen Einwohnern sind darunter genannt.
    
    
Adresse/Standort der SynagogeSchulstraße 43    
   
   
Fotos

 Historische Ansichtskarte 
mit der Synagoge (1898)  
bohl.jpg (67030 Byte) bohl2.jpg (64350 Byte)
  Die Karte wurde mit freundlicher Genehmigung von Frantisek Bányai 
aus der Website www.judaica.cz übernommen  
     
Historische Aufnahmen 
der Synagoge
(Quelle: O. Weber s. Lit. und 
Landesamt s. Lit.)
Boehl Synagoge 002.jpg (55010 Byte) Boehl Synagoge 003.jpg (69161 Byte)
  Die Synagoge nach 
der Zerstörung 1938
Blick auf die Westfassade mit 
dem Hufeisenbogen
     
Der Gedenkstein am 
Standort der Synagoge 
(Foto: Bernhard Kukatzki) 
Boehl Synagoge BeKu 120.jpg (137699 Byte)
  Inschrift: "Hier stand bis zu ihrer Zerstörung durch die Nationalsozialisten am 
9.11.1938 die Synagoge der jüdischen Kultusgemeinde Böhl-Iggelheim" 
     
(Fotos von Michael Ohmsen; 
vgl. Seite zu Böhl-Iggelheim in der 
Foto-Website von M. Ohmsen)
Boehl-Iggelheim Synagoge 090.jpg (288853 Byte) Boehl-Iggelheim Synagoge 091.jpg (183919 Byte)
  Blick auf den Gedenkstein    Die Inschriftentafel
     
     
Der für Böhl und Iggelheim zuständige 
jüdische Friedhof war in Haßloch
Hassloch Friedhof 100.jpg (93937 Byte)  
  Grabstein für Karoline Mayer von Iggelheim
 im jüdischen Friedhof Haßloch
 
     
 Denkmal für die Kriegsteilnehmer 
1866 und 1870/71 

(Fotos von Michael Ohmsen; 
vgl. Seite zu Böhl-Iggelheim in der 
Foto-Website von M. Ohmsen)  
Boehl-Iggelheim Denkmal 1870-71 010.jpg (241926 Byte) Boehl-Iggelheim Denkmal 1870-71 011.jpg (244571 Byte) Boehl-Iggelheim Denkmal 1870-71 012.jpg (234325 Byte)   
  Die Liste der Kriegsteilnehmer, u.a. mit dem Namen von Nathan Blum   
     

 
 
Erinnerungsarbeit vor Ort  - einzelne Berichte  

Juli 2005: Zur 1225-Jahrfeier im Jahre 2005 in Böhl erstellen Schülerinnen und Schüler aus Böhl-Iggelheim ein Modell der ehemaligen Synagoge:   
Angeregt durch den Vorschlag von Andreas Scherer, dem Hauptorganisator der Festlichkeiten zur 1225 Jahr-Feier in Böhl, auch den Bau der Synagoge in der Schulstraße beim Festumzug mit einen Beitrag zu würdigen, kam Jürgen Schweitzer auf den Gedanken, die Böhler Synagoge, die in der Reichspogromnacht am 10. November 1938 wie so viele andere auch zerstört wurde, im Modell wiederherzustellen und beim Festumzug am 28.August mitzuführen. 
 
Boehl Synagoge M02.jpg (54654 Byte) Boehl Synagoge M03.jpg (30200 Byte) Boehl Synagoge M04.jpg (24036 Byte)
Im Rahmen einer Projektwoche wurde ein Modell der Böhler Synagoge erbaut
      
Durch die Information von Bernhard Kukatzki bei seinem Vortrag über das Leben der Juden in unserer Gemeinde auf Einladung des ökumenischen Arbeitskreises, dass die Böhler Synagoge ein Spiegelbild der Synagoge in Ingenheim bei Landau war und diese von Hofarchitekt Ludwig I von Bayern Friedrich Gärtner erbaut wurde, war Schweitzer im Internet auf die Suche nach weiteren "Duplikaten" gegangen. Im bayrischen Binswangen wurde er fündig. Die Synagoge in Binswangen hatte die Reichspogromnacht nahezu unversehrt überstanden und wurde 1996 nach umfassenden Renovierungsarbeiten als Kulturzentrum wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Vom dortigen Freundeskreis der Synagoge bekam er die Baupläne der Synagoge. "Über Herrn Farris, einem Lehrer an der Peter-Gärtner-Schule der mit seiner Schulklasse den Vortrag über das Leben der Böhler Juden besucht hatte, bekam ich den Hinweis auf die diesjährige Projektwoche an der Schule. Bei dem Rektor Herrn Dr. Fries und Herr Hasenöhrl dem Klassenlehrer der 8b und zugleich Werklehrer an der Peter-Gärtner-Schule fand ich gleich die notwendige Unterstützung zur Realisierung des Projektes Bau eines Modells der Böhler Synagoge", sagte Schweitzer.
Nach einigen Treffen mit Herrn Hasenöhrl zur näheren Ausarbeitung der Konzeption ging es in der Zeit vom 15.07. bis 21.07. frisch ans Werk. Während Lehrer Hasenöhr mit den Jungs seiner Klasse engagiert ans Werk ging, die Baupläne im Maßstab 1:15 in ein Holzmodell umzusetzen, war er zusammen mit seiner Kollegin Anne Kuntz und den Mädchen der Klasse unterwegs, um die jüdische Geschichte in der Region zu erforschen. So besuchten sie zuerst den jüdischen Friedhof in Hassloch, wo 1847 als erster der Böhler Jude Joseph Gerson seine letzte Ruhestätte fand und am darauf folgenden Montag das mittelalterliche Judenbad in Speyer, eines der ältesten erhaltenen Ritualbäder. Bernhard Bruno ein in Rom geborener, inzwischen pensionierter ehemaliger Lehrer, der seit über 30 Jahren in Deutschland wohnt, führte die Böhler vom Gedenkstein der neuen Synagoge hinter dem Kaufhof in Speyer zum Judenbad und brachte ihnen sehr anschaulich seine Geschichte näher. Mit jedem Projekttag der verging wuchs das Modell zu einen stattlichen Gebäude heran.
Die während der beiden Exkursionen erhaltenen Kenntnisse wurden zu einer Präsentation zusammengefasst. Es wurde unter anderem eine Übersicht über die unterschiedlichen Feiertage von Juden, Christen und Muslime erarbeitet.
Nach der erfolgreichen Präsentation am Ende der Projektwoche am Donnerstag soll das Modell der Synagoge beim Festzug am Kerwesonntag erstmals einer breiten Öffentlichkeit gezeigt werden. Am Sonntag, 4. September, dem Europäischen Tag der Jüdischen Kultur, besteht nochmals in der Zeit von 10 bis 12 Uhr und von 14 bis 16 Uhr die Möglichkeit, das Modell und die von den Schülern erarbeitete Präsentation im evangelischen Gemeindehaus,   Schulstraße 36, gegenüber dem ehemaligen Standort der Synagoge, an den ein Gedenkstein erinnert, zu besichtigen. Neben Tee und Kaffee wollen die Organisatoren das jüdisches Festtagsgebäck "Hamantaschen" reichen. Obwohl beide Termine in den Sommerferien liegen, werden Schüler und Schülerinnen die Veranstaltungen begleiten. (spa)  
 
Oktober 2013: Gedenkstein für die in der NS-Zeit deportierten Böhl-Iggelheimer wird eingeweiht  
Artikel: "Acht Namen erinnern an alle Opfer" in der "Rheinpfalz" vom 22. Oktober 2013: Artikel eingestellt als pdf-Datei     
 
Januar 2021: Die Fundamente der Synagoge wurden gefunden 
Artikel von Annegret Ries in der "Rheinpfalz" vom 19. Januar 2021: "Synagogen-Fundament bleibt erhalten: Geschützt im Verborgenen
Bevor es an die Erweiterung der Fink-Grundschule gehen konnte, musste der Boden ausgiebig erkundet werden.
Die Johannes-Fink-Grundschule in Böhl muss erweitert werden. Bei Bauarbeiten ist das Fundament der Synagoge gefunden worden, die bis 1938 in der heutigen Schulstraße stand. Was tun? Das Fundament ist ein Bodendenkmal, das erhalten wird, aber nicht zu sehen ist..."  
Link zum Artikel  (nur für Abonnenten)   

    
    

Links und Literatur 

Links:  

bullet

Website der Gemeinde Böhl-Iggelheim   

Literatur:  

bulletOtmar Weber: Die Synagogen in der Pfalz von 1800 bis heute. Unter besonderer Berücksichtigung der Synagogen in der Südpfalz. Hg. von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Pfalz in Landau. 2005. S. 95-96.103-104. (mit weiteren Literaturangaben).
bulletLandesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Mainz 2005. S. 122 (mit weiteren Literaturangaben).  

      

                   
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Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 30. Juni 2020