Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


Eingangsseite

Aktuelle Informationen

Jahrestagungen von Alemannia Judaica

Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft

Jüdische Friedhöfe 

(Frühere und bestehende) Synagogen

Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale in der Region

Bestehende jüdische Gemeinden in der Region

Jüdische Museen

FORSCHUNGS-
PROJEKTE

Literatur und Presseartikel

Adressliste

Digitale Postkarten

Links

 


zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"  
zurück zur Übersicht "Synagogen in Oberfranken"
   

Altenkunstadt (Kreis Lichtenfels)
Jüdische Geschichte / Synagoge 
 
  

Übersicht:   

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und der Schule  
Aus dem jüdischen Gemeindeleben    
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde 
Sonstiges   Weitere Dokumente    
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen 
bulletErinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte    
bulletLinks und Literatur   

  
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
(english version)    
   
In Altenkunstadt bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938/42. Ihre Entstehung geht bis in spätmittelalterliche Zeiten zurück. Bereits im 13. Jahrhundert könnten Juden am Ort gelebt haben: bei der Judenverfolgung 1298 ("Rindfleisch-Verfolgung") kamen auch Juden aus "Kunstadt" ums Leben, womit freilich auch - was sogar wahrscheinlicher ist - "Burgkunstadt" gemeint sein kann.  Um 1400 hatte das Kloster Langheim in Altenkunstadt Schutzjuden. 1403 wird ein Jude genannt, der entweder in Alten- oder Burgkunstadt wohnte (im Rechnungsbuch des Bamberger Bischof steht der Name zwischen Einträgen über Einnahmen aus Altenkunstadt und Burgkunstadt). Ein "Moses aus Altenkunstadt" erhielt 1475 das Niederlassungsrecht in der Markgrafschaft Brandenburg-Kulmbach. Seit dem 16. Jahrhundert wohnten im sogenannten Judenhof Schutzjuden der Freiherren von Schaumburg. 

Bei den Mai-Unruhen 1699 wurden (im Mai dieses Jahres) auch in Altenkunstadt jüdische Häuser überfallen und geplündert. Die jüdischen Familien kamen dadurch in große Not. Gemeinsam mit den Burgkunstadter Juden klagten sie bei der Herrschaft: "Wir müssen wegen unserer gewalttätigerweise verwüsteten und ruinierten Wohnungen in Städeln und Scheuern in beständiger Furcht und Kümmernis uns aufhalten und haben dabei nicht das liebe Brot noch sonst etwas zu leben, mithin uns in dem äußersten Elend und Notstand befinden." Erst Soldaten aus Bamberg sorgten wieder für Ruhe in den beiden Orten. 
   
Im 17. und 18. Jahrhundert nahm die Zahl der jüdischen Einwohner ständig zu. 1700 waren es 200, 1765 265 jüdische Einwohner. Im 18. Jahrhundert waren Juden aus Polen und Böhmen zugewandert. Die jüdischen Familien in Altenkunstadt standen unter dem Schutz unterschiedlicher Herrschaften: 1751/52 gab vier "fürstliche" Juden (Fürstbistum Bamberg), drei Langheim'sche, 13 Marschalk'sche und 38 Schaumberg'sche Juden (es werden nur die männliche Juden beziehungsweise Haushaltsvorstände aufgeführt). Zwei Jahre später waren es 2 Langheim'sche, vier mehr Marschalk'sche (halb ämtische, halb redwitzische), elf Giechische und 30 Schaumberg'sche Juden. Die jüdischen Familien lebten vom Handel mit Vieh und Waren aller Art. Ihr Einzugsbereich reichte vom Thüringer Wald bis in die Gegend um Scheßlitz. Im 18. Jahrhundert finden sich jüdische Handelsleute aus Altenkunstadt auch bei den Leipziger Messen.
  
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine Schule (seit 1809 'deutsche Elementarschule', Jüdische Volksschule seit 1869) mit Lehrerwohnung und ein rituelles Bad (Mikwe). Die Toten der Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof in Burgkunstadt beigesetzt. Zur Besorgung der religiösen Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der auch als Vorbeter und Schächter tätig war (vgl. Ausschreibungstexte unten). Zeitweise waren auch mehrere Personen angestellt.  
       
Im 19. Jahrhundert hielt sich die Zahl der jüdischen Einwohner zunächst noch auf hohem Niveau: 1809 285 jüdische Einwohner (42,2 % der Gesamtbevölkerung von 676 Personen; 70 Familien), 1811/12 339 (46,4 % von insgesamt 730), 1837 Höchstzahl von 400 (49,9 % von 802). Seit Mitte des 19. Jahrhunderts ging die Zahl durch Aus- und Abwanderung schnell zurück: 1867 184 jüdische Einwohner (15,8 % von 1.166), 1880 112 (8,7 % von 1.288), 1900 65 (5,3 % von 1.219). 
  
Um 1925, als noch etwa 40 Personen der jüdischen Gemeinde angehörten, waren die Vorsteher der Gemeinde Karl Lauer, David Liebermann und Max Schuster. Die Gemeinde gehörte zum Distriktsrabbinat Burgkunstadt, das seit 1914 durch den Bayreuther Rabbiner mitversehen wurde. 1932 waren die Vorsteher der Gemeinde Karl Lauer, Theodor Liebermann und Max Schuster (letzterer auch als Schriftführer und Schatzmeister). Als Lehrer und Kantor war Ignaz Steinbock aus Burgkunstadt tätig. An jüdischen Vereinen war noch der Israelitische Frauenverein aktiv (gegründet 1890, Ziel: Wohltätigkeit, 12 Mitglieder unter der Leitung von Philippine Hellmann).  
  
1933 lebten noch 28 jüdische Personen in Altenkunstadt (1,5 % von insgesamt 1.867). Trotz der zunehmenden Repressalien und der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts verzogen zunächst nur wenige der jüdischen Einwohner vom Ort. 1936 wurde die Gemeinde mit den anderen Gemeinden des ehemaligen Rabbinatsbezirkes Burgkunstadt dem Rabbinat Bamberg zugeteilt. Erst zwischen 1937 und 1939 verzogen 12 der jüdischen Einwohner aus Altenkunstadt (drei wanderten in die USA aus, neun übersiedelten in andere Orte Deutschlands). Von den letzten 15 - im Frühjahr 1942 noch in Altenkunstadt lebenden - jüdischen Einwohner wurden 13 im April über Bamberg nach Izbica bei Lublin deportiert. Ein jüdischer Mann und seine Tochter überlebten den Krieg in Altenkunstadt. 
  
Von den in Altenkunstadt geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"):  Rosa Bacharach geb. Levor (1874), Ida Baer geb. Hofmann (1874), Anna Berger geb. Hofmann (1875), Rosa Frankenburger geb. Löwenthal (1874), Bertha Freudenthal geb. Levi (1886), Simon Freudental (1889), Viktor Freudenthal (1896), Rosa Heller geb. Liebermann (1874), Emma Hellmann (1858), Frieda (Friedl) Hellmann geb. Kahn (1902), Jenny Hellmann (1891), Karl Hellmann (1899), Mosche Hellmann (1889), Philippine Hellmann geb. Freudenthal (1865), Siegmund Hellmann (1930), Roger Herrmann (geb. ?), William Herrmann (geb. ?), Ida Hessdörfer geb. Liebermann (1869), Sophie Kohlmeier geb. Lauer (1872), Frieda Lauer geb. Satzmann (1876), Ernst Liebermann (1926), Hedwig Liebermann geb. Zeilberger (1892), Johanna Liebermann (1898), Martin Liebermann (1921, siehe Beitrag von Christof Eberstadt), Rosa Liebermann geb. Rinsberg (1875), Ruth Liebermann (1928), Theodor Liebermann (1883), Sara Lorentz geb. Seeligsberg (1869), Marie Moses geb. Seeligsberg (1876), Bella Neumann geb. Hahn, Mathilde Nordhäuser (1878), Theodor Nordhäuser (1882), Else Richheimer geb. Oppenheimer (1881), Siegfried (Fritz) Satzmann (1922), Julie Schuster geb. Löwenthal (1876), Max Schuster (1876), Alexander Seeligsberg (1868), Klara Stark geb. Hahn (1865), Helene (Helena) Wolf geb. Brill (1906), Leo Wolf (1892), Lina Wolf geb. Leist (1863), Margot Wolf (1928), Käte Zeilberger geb. Liebermann (1896). 
   
Seit Mai 2013 erinnern auch in Altenkunstadt "Stolpersteine" an einige der jüdischen Opfer der NS-Zeit. So wurden am 9. Mai 2013 drei "Stolpersteine" vor dem Anwesen Theodor-Heuß-Straße 65 zur Erinnerung an Leo, Helene und Margot Wolf verlegt. Vgl. Wikipedia-Artikel https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Altenkunstadt.  
    
    
    
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde  
  
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und der Schule    
 
Über die Geschichte der jüdischen Schule in Altenkunstadt (Artikel von 1909)     

Artikel im "Israelitischen Familienblatt" vom 18. Februar 1909: "Schulgeschichte. Von Jakob Bierschild, Lehrer, Altenkunstadt.
Auf ein 100-jähriges Bestehen kann die hiesige jüdische Volksschule nunmehr zurückblicken, weshalb es von Interesse sein dürfte, einiges über die Geschichte derselben zu erfahren.
Die Nachrichten über die jüdische Volksschule zu Altenkunstadt reichen nicht über das Jahr 1806 zurück. Vor diesem Zeitpunkt bestand für die israelitische Jugend kein Schulzwang, doch besuchten die meisten jüdischen Kinder dahier die christliche Schule. Es bestand aber hier, ebenso wie in allen älteren israelitischen Gemeinden, seit langen Jahren eine sogenannte Winkelschule, die von Privatlehrern, Bachurim genannt, geleitet wurde.
Vom Jahre 1806 an besuchten alle israelitischen schulpflichtigen Kinder dahier die christliche Schule und unter dem 9. November gleichen Jahres erging von dem damaligen Ober-Schul- und Studienkommissariat in Franken ein Schreiben an die Vorsteher der israelitischen Gemeinde dahier als Ausdruck besonderen Wohlgefallens 'über die aufgeklärten Gesinnungen, mit welchen sie sich an die Jugendbildung der Christen anschlossen.'
Im November 1808 erklärte die israelitische Gemeinde, einen eigenen Elementarlehrer anstellen und besolden zu wollen, und Altenkunstadt war von allen israelitischen Gemeinden der damaligen 'Provinz Bamberg' die erste, vielleicht die einzige, welche im Juni 1809 aus eigenem Antrieb und auf eigene Kosten eine 'deutsche Elementarschule' organisierte. Die Eltern hatten nun die Pflicht, ihre Kinder zur Werktagsschule zu schicken. Erst am 5. Januar 1817 wurde gemäß Entschließung des königlichen Generalkommissariates des 'Mainkreises', in den israelischen Gemeinden zu Altenkunstadt und Burgkunstadt die Errichtung und der zwangsweise Besuch der Feiertagsschule angeordnet."    

   
Ausschreibungen der Lehrer-/ Vorbeterstelle 1845 / 1853 / 1907 / 1908 

Anmerkung: Altenkunstadt wird in den damaligen Anzeigen "Altenkundstadt" geschrieben; in ungefähr zeitlichen Dokumenten und Artikeln begegnet jedoch in derselben Weise "Altenkunstadt".

Die Ausschreibung der Stelle 1845 war nach dem Tod des Vorbeters Ochs nötig geworden: 
Altenkunstadt AZJ 14041845.jpg (69971 Byte)Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 14. April 1845: "Erledigte Stelle für inländische israel. Lehramts-Kandidaten. Durch den Tod des seitherigen Vorbeters Ochs wurde die hiesige Vorbeterstelle erledigt. Mit derselben ist ein fixer Gehalt von 200 fl. rheinl. nebst mehreren nicht unbedeutenden Akzidenzien verbunden. Bewerber um diese Stelle haben ihre Gesuche mit legalen Zeugnisse begleitet, binnen sechs Wochen an unterzeichnete Verwaltung franco einzusenden, und zugleich anzuzeigen, ob sie zur Abhaltung eines Probevortrags in hiesiger Synagoge bereit sind. Für Reisekosten wird nichts vergütet. Bemerkt wird noch, dass der verstorbene Vorbeter, durch Erteilung von Privatunterricht in Elementar- und Religionsgegenständen, einen Nebenverdienst von circa 300 fl. jährlich hatte.
Altenkundstadt in Bayern 30. März 1845. Die israel. Kultusverwaltung."
  
Altenkunstadt AZJ 07031853.jpg (47658 Byte)Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 7. März 1853: Ausschreiben. Die israelitische Gemeinde zu Altenkunstadt beabsichtigt einen Vorbeter aufzunehmen. Bewerber müssen mit den nötigen Seminarzeugnissen versehen sein. Der Ertrag dieser Stelle ist fl. 150 aus der Kultuskasse, fl. 50 aus Stiftungen, dann der gewöhnlich Akzidenzien, außerdem kann derselbe auf Privatunterricht sich zuverlässig fl. 150 erwerben. Bewerbungen wollen baldigst franko eingesendet werden. 
Altenkundstadt, 13. Februar 1853,
Die israel. Kultusverwaltung. 
Von 1879 bis 1907 war Jonas Nordhäuser Lehrer an der israelitischen Volksschule. Nach seinem Tod wurde die Stelle neu ausgeschrieben. 
Altenkunstadt Israelit 19121907.jpg (60562 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Dezember 1907: "Die in Erledigung gekommene hiesige israelitische Elementar-, Religionslehrer- und Kantorstelle wird mit einem fixierten Jahresgehalt von 1.200 Mark und freier Dienstwohnung im Schulhause zur öffentlichen Bewerbung ausgeschrieben. Der Gehaltsbezug kann durch spätere Übernahme der Schächterfunktion erhöht werden. Bewerber wollen ihr Gesuch unter Beilage loyaler Zeugnisse über ihren Studiengang, Führung und bisherige Wirksamkeit binnen 14 Tage bei der unterfertigten Stelle einreichen. Altenkundstadt (Oberfranken), d. 8. Dezember 1907. Israelitische Kultusverwaltung".
Die Stelle musste 1907/08 mehrere Monate ausgeschrieben, bis sich ein geeigneter Lehrer fand: 
Altenkunstadt Israelit 12031908.jpg (58280 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. März 1908: Text ähnlich wie oben.  
Schließlich konnte die Stelle mit dem Religionslehrer Jakob Bierschild besetzt werden (s.u.)    

       
Zum Tod von Lehrer Jonas Nordhäuser im November 1907 und Nachfolgeregelung durch Lehrer Jakob Bierschild  

Altenkunstadt Israelit 07111907.jpg (70984 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. November 1907: "Burgkunstadt, 4. November (1907). Heute wurde unter allgemeiner Beteiligung Herr Hauptlehrer Jonas Nordhäuser von Altenkunstadt im Alter von erst 58 Jahren zu Grabe getragen. Um ihn trauert mit der Familie und den zahlreichen Freunden die Gemeinde, in der er 28 Jahre hindurch seines Amtes als Religions- und Elementarlehrer gewaltet hat. Von nah und fern war man herbeigeeilt, um dem hochverehrten Mann, dem wackeren Jugendbildner, der sich allgemeiner Achtung und Liebe erfreute, das letzte Geleite zu geben. Herr Distriktsrabbiner Dr. Gottein von Burgkunstadt schilderte am Grabe in tiefempfundenen Worten das Leben und Wirken des Heimgegangenen, Herr Hauptlehrer Löwenstern daselbst sprach im Namen der anwesenden Kollegen und nahm in ergreifender Weise Abschied von dem Verwandten und Freunde. Auch der Bezirkslehrerverein Weismain brachte seine Teilnahme an dem Verlust in herzlicher Weise zum Ausdruck. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens". 
   
Altenkunstadt Israelit 10091908.jpg (31093 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" am 10. September 1908: "Altenkunstadt, 3. Sept. (1908). Die durch den Tod des Herrn Lehrers Nordhäuser seit Dezember vorigen Jahres verwaiste israelitische Volkschullehrerstelle dahier wurde von Seiten der Königlichen Regierung dem bisherigen Religionslehrer Jakob Bierschild übertragen, nachdem derselbe von der hiesigen israelitischen Kultusgemeinde in Vorschlag gebracht worden war."

     
    
Aus dem jüdischen Gemeindeleben  
Ausschreitungen im Revolutionsjahr 1848
    

Burgkunstadt DtrZionswaechter 28031848.jpg (125472 Byte)Artikel in "Der treue Zionswächter" vom 28. März 1848: "Südwestliches Deutschland. Die Zeitungen der jüngsten Tage berichten zahlreiche schreckliche Angriffe gegen die Juden an der württembergischen, badischen und französischen Grenze, von boshaftem Pöbel und plündernden Rotten versucht und ausgeführt, welche Hab' und Gut zertrümmerten und die Eigentümer aus ihren Besitztümern völlig verjagten. Wer erinnert sich nicht bei solche traurigen Szenen an die Beschlüsse der nunmehr aus dem Zeitlichen verschwundenen Rabbiner-Versammlung, welche die herkömmlichen, zur Abwehr ähnlicher Gefahren und Schrecknisse an den allgewaltigen Beschützer Israels gerichteten Gebete, und sogar auf die Fasttage für überflüssig erklärte, weil jene mittelalterlichen Bedrückungen und Grausamkeiten in dem von Bildung strotzenden 19. Jahrhundert nicht mehr vorkämen, ja undenklich wären.*) Sehen nun diese vom Wahne geblendeten Ratsherren, wie wenig sie über die Gegenwart hinaus zu sehen vermögen, und wie sie sonach als Unweise auch unvermögend seien, die Lehren und Anordnungen unserer Weisen irgendwie anzutasten? 
*) Auch in Altenkunstadt und Burgkunstadt in Oberfranken, wo der jetzt zu Frankfurt am Main Neues predigende Stein vor einigen Jahren noch als Rabbiner fungierte, kamen ähnliche Verheerungen und Vertreibungen vor."   

     
     
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde 
"Akt der Humanität" gegenüber einem jüdischen Mitschüler (1882) 

Altenkunstadt Israelit 12041882.JPG (74038 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. April 1882: "Nürnberg, 25. März (1882). Nachstehender Akt der Humanität dürfte sich wohl eignen, in den Spalten Ihres geschätzten Blattes Aufnahme zu finden. Ein sehr begabter und hoffnungsvoller Jüngling unseres Glaubens, der eine der höheren Klassen des hiesigen Gymnasiums besuchte, namens Moritz Hellmann aus Altenkunstadt, starb im 17. Lebensjahre im Hause seiner Eltern. Zur Beerdigung desselben ordnete das Rektorat dieser Anstalt fünf Mitschüler (zwei Israeliten und drei Christen) auf Kosten der Schule ab, den Verblichenen zu Grabe zu geleiten und ihm namens der Studienanstalt einen Kranz auf das Grab zu legen, was auch in Begleitung einer kurzen Ansprache von einem der Mitschüler geschah. Die Heimat des Verstorbenen ist von hier 27 Stunden entfernt und die Schüler mussten unterwegs übernachten." 

    
Soldat Grünfelder meldet sich freiwillig zum China-Feldzug (1900) 

Altenkunstadt AZJ 31081900.jpg (44942 Byte)Meldung in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 31. August 1900: "Als Freiwillige, die sich für die Expedition nach China gemeldet haben, werden uns noch genannt: J. Cohn vom 67 Infanterieregiment, L. Rosenthal aus Ibbenbüren, Musketier Bachrach aus Nentershausen bei der 3. Kompanie des hess. Trainbat. Nr. 11, August Lang, Reservist in Worms und Grünfelder aus Altenkunstadt in Oberfranken."

    
70. Geburtstag von Philippine Hellmann geb. Freudenthal (1935)   

Altenkunstadt Israelit 11041935.jpg (19371 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. April 1935: "Altenkunstadt, 8. April (1935). Frau Philippine Hellmann geb. Freudenthal, Vorstandsdame des hiesigen Israelitischen Frauenvereins feiert ihren 70. Geburtstag. (Alles Gute) bis 120 Jahre."   
Anmerkung: Philippine Hellmann wurde am 17. März 1943 von Berlin nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 20. Januar 1944 umgekommen ist.  

    
    
Sonstiges        
Erinnerungen an die Auswanderungen im 19. Jahrhundert: 
Grabsteine in New York für Philip Hermann (gest. 18
88), Baruch Adler (1808-1882), Selig S. Fischer (1827-1884), Charles W. Mack (1826-1887) und Sophie Fisher (1831-1886), alle aus Altenkunstadt 
Anmerkung: die Gräber befinden sich in einem jüdischen Friedhof in NY-Brooklyn.      

Altenkunstadt New York Salem 1673.jpg (97516 Byte)   

Altenkunstadt New York Salem 1673a.jpg (108535 Byte)Grabstein für 
"...Philip Herman. 
Native of Altenkunstadt, Bavaria.
Died July 15, 1888. Aged 85 Years.  
May his soul rest in Peace..."   
Altenkunstadt New York Salem 1819.jpg (117872 Byte)Grabstein für "Charles W. Mack  
Born in Altenkunstadt Bavaria  
Dec. 3, 1826 
Died Nov. 2, 1887 -  
Hanna Mack 
Born in Fürth - Bavara  April 23, 1831 
Died March 19, 1907".  
   

Altenkunstadt New York Salem 1719.jpg (109339 Byte) 

Altenkunstadt New York Salem 1719a.jpg (121743 Byte) Grabstein für 
"...Baruch Adler  
Born in Altenkunstadt, Bavaria  
October 24, 1808  
Died May 20, 1882  
Aged 53 Years..."  
Altenkunstadt New York Salem 1808a.jpg (134172 Byte)  Altenkunstadt New York Salem 1808.jpg (117924 Byte)Grabstein für 
"Selig S. Fisher  
Born in Altenkunstadt Bavaria  
November 7, 1827  
Died in New York 
January 28, 1884" . 
       
Redwitz New York Salem 1804.jpg (168585 Byte) Grabstein für "Sophie Fisher, Born in Redwitz - Bavaria Febr. 28, 1831. 
Died August 2, 1886" und 
"Solomon Fisher. Born in Altenkunstadt Bavaria,  October 11, 1817, 
Died September 15, 1906 - 
Was a righteous man, perfect in his generation, an he walked with God".  
   

    
    
Weitere Dokumente  
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim/Ries) 

Brief der Gebr. Hofmann aus Altenkunstadt 
an Jonas Nordschild in Schweinfurt (1868)
  
Schweinfurt Dok 150042.jpg (116371 Byte) Schweinfurt Dok 150042a.jpg (55743 Byte)

Der Brief (nur Kuvert erhalten) der Gebrüder Hofmann aus Altenkunstadt wurde am 22. Dezember 1868 an Jonas Nordschild in Schweinfurt versandt.
Beim Absender handelt es sich um die Gebrüder Isaak und Leopold Hofmann von Altenkunstadt. Der Tuchscherer Leopold Hofmann errichtete 1852 (1854) in der Steffelmühle (Wiesenmühle) eine Spinn - und Tuchfabrik, 1883 " Wollspinnerey und Färberwerkstätte" genannt, die später über die Erben an den Fabrikanten Silberstein überging. 1864 gibt es ein Gesuch der Gebrüder Leopold und Isaak Hofmann zur Erhöhung des Wehres in ihrer Fabrik in Weismain.
Quellen: http://www.gda-old.bayern.de/findmittel/ead/ansicht.php?fb=628&lft=109181&rgt=110974&alft=109393&argt=109430#ae 
http://www.obermain.de/lokal/altenkunstadt-burgkunstadt-weismain/art2415,58242,PRINT?_FRAME=33 
http://de.wikipedia.org/wiki/Steffelmühle 
http://www.obermain.de/lokal/altenkunstadt-burgkunstadt-weismain/art2415,223351    

    
    
    
Zur Geschichte der Synagoge          
   
Die bis heute erhaltene Synagoge wurde 1726 erbaut. Die Jahreszahl steht auf dem Hochzeitsstein der Synagoge. Über 200 Jahre lang war die Synagoge kultureller und religiöser Mittelpunkt des jüdischen Gemeindelebens am Ort.

Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge (Inventar und Ritualien) durch ortsansässige SA-Leute zerstört. Im Zweiten Weltkrieg wurden Kriegsgefangene in dem Gebäude untergebracht, nach dem Krieg Flüchtlinge und Heimatvertriebene. Im März 1948 fand vor dem Landgericht Coburg ein Prozess gegen zwei der beim Novemberpogrom 1938 Beteiligten statt. Einer von ihnen erhielt eineinhalb Jahre Gefängnis.

Nach einer mehrjährigen Nutzung als Lagerraum für das Wasserwerk der Gemeinde wurde die ehemalige Synagoge 1989 bis 1993 umfassend restauriert und als Museum und kulturelle Begegnungsstätte hergerichtet. Auf der ehemaligen Frauenempore erinnert heute eine Dauerausstellung an die Geschichte der Juden im oberen Maintal. Eine Nachbildung des Hochzeitssteines von 1726 wurde am Gebäude angebracht, da der alte Hochzeitsstein bis zur Unkenntlichkeit verwittert ist. 
  
  
Adresse/Standort der SynagogeJudenhof 3 D-96264 Altenkunstadt   (Tel. 09573/7999, über Gemeinde: 09752/387-0 oder -11, Fax 09753/310986) 
   
   
   

Fotos / Darstellungen:
(Historische Aufnahmen von Hochzeitsstein und Toraschild von Theodor Harburger 1928/29, veröffentlicht in ders.: Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern. Hg. von den Central Archives for the History of the Jewish People, Jerusalem und dem Jüdischen Museum Franken - Fürth und Schnaittach. 1998 Bd. 2 S. 4-5; Zeichnungen aus Motschmann: Es geht Schabbes ei s.Lit. S. 28-29; neuere Innenaufnahme: Jürgen Hanke, Kronach)  

Altenkunstadt Synagoge 113.jpg (127297 Byte) Altenkunstadt Synagoge 111.jpg (108367 Byte) Altenkunstadt Synagoge 112.jpg (120265 Byte)
Zeichnung der Synagoge von 
Josef Dumrauf (1930)
Foto des Hochzeitssteines von 
Th. Harburger  (Aufnahme von 1929)
Zeichnung des Hochzeitssteines von
 Distriktrabbiner Dr. Eduard Goitein (1915)
     
   Altenkunstadt Synagoge 114.jpg (96666 Byte) Altenkunstadt Synagoge 110.jpg (113154 Byte)
     Steinerner Rahmen des 
Tora-Schreines, Zeichnung von 
Dr. Goitein (1915)
Tora-Schild (Tass) von 1715 im
 Synagogenbesitz (Aufnahme 
von Th. Harburger 1928).
             
Fotos nach 1945  Altenkunstadt Synagoge 119.jpg (77800 Byte) Altenkunstadt Synagoge 121.jpg (32619 Byte)
   Die ehemalige Synagoge um 1985 vor der
 Restaurierung (das Dach ist bereits
 erneuert. Quelle: Schwierz s.Lit.) 
Innenaufnahme 
nach der Restaurierung 
   
              

Fotos 2007 / 2022
(Fotos von J. Hahn, Aufnahmedatum 10.4.2007, neuere Aufnahmen von Jürgen Hanke, Kronach von 2022)

Der "Judenhof"  Altenkunstadt Judenhof 102.jpg (67122 Byte) Altenkunstadt Judenhof 100.jpg (101589 Byte)
   Straßenschild Hinweistafel zur Geschichte 
des "Judenhofes" (links alte Tafel von 2006) 
    
     
Altenkunstadt Judenhof 101.jpg (116722 Byte) Altenkunstadt Judenhof 106.jpg (83751 Byte) Altenkunstadt Judenhof 103.jpg (71220 Byte)
Blick auf den 
Judenhof 
Im Judenhof: links Teil der Synagoge; 
das Haus links der Mitte war das Haus 
des Schächters 
Eines der ehemaligen
 jüdischen Häuser (Judenhof 15) 
       
      
Altenkunstadt Judenhof 105.jpg (70097 Byte) Altenkunstadt Judenhof 104.jpg (87886 Byte) Altenkunstadt Judenhof 107.jpg (81561 Byte)
     Hinweistafel zur Geschichte der
 israelitischen Volksschule 
Das Gebäude der ehemaligen 
israelitischen Volksschule mit Anbau 
       
Die ehemalige Synagoge  Altenkunstadt Synagoge 508.jpg (118146 Byte) Altenkunstadt Synagoge 509.jpg (106090 Byte)
   Hinweistafel zur Synagoge "Kulturraum und Gedenkstätte) 
   
Altenkunstadt Synagoge 503.jpg (77284 Byte) Altenkunstadt Synagoge 504.jpg (79316 Byte) Altenkunstadt Synagoge 505.jpg (78489 Byte)
Blick auf die Ostfassade der ehemaligen
 Synagoge vom Eingang in den "Judenhof"
Der Aron hakodesch (Toraschrein) befindet
 sich links von dem Fenster   
Blick vom Judenhof auf die 
Nordfassade 
der ehemaligen Synagoge 
  
Blick zum Eingang auf der 
Westseite 
der ehemaligen Synagoge 
  
     
Altenkunstadt Synagoge 500.jpg (99295 Byte) Altenkunstadt Synagoge 502.jpg (87317 Byte) Altenkunstadt Synagoge 501.jpg (104084 Byte)
Nachbildung des Hochzeitssteines 
und Gedenktafel  
Hinweis- und 
Gedenktafel 
Nachbildung des 
Hochzeitssteines
     
Altenkunstadt Synagoge 507.jpg (80809 Byte) Altenkunstadt Synagoge 506.jpg (75883 Byte)  
Brunnen vor der
 ehemaligen Synagoge 
Eingang zum Nebengebäude 
der ehemaligen Synagoge 
 
     
 Das sog. "Mack-Haus" (Theodor-Heuss-Straße 25)
und seine jüdische Vorgeschichte
(Fotos: Jürgen Hanke, Fotos von 2014/2022)
   
  Text auf der Informationstafel von 2006: "Das Mack-Haus. Dieses Gebäude war das Wohn- und Geschäftshaus der jüdischen Familien Mack und Seeligsberg. Sie waren Tuchhändler. Das Haus wurde 1832/33 im klassizistischen Stil neu erbaut, möglicherweise nach Plänen des berühmten Architekten Leo von Klenze, der zu jener Zeit die Residenzstadt München prächtig ausbaute."
Die neue Tafel hat den Text: "Das Mack-Seeligsberg-Haus. Dieses denkmalgeschützte Gebäude war das Wohn- und Geschäftshaus der jüdischen Tuchhändlerfamilie Mack im klassizistischen Stil, höchstwahrscheinlich nach Plänen des berühmte Architekten Leo von Klenze, der zu jener Zeit die Residenzstadt München so prächtig ausbaute. Ausgeführt wurde der Bau durch den hiesigen Baumeister Georg Zeuß. Der rückwärtige Fachwerkbau gilt als eines der ältesten Gebäude in der Gemeinde Altenkunstadt. Das Haus blieb im Besitz der Familie Mack. Als letztes Mitglied lebte hier Rosine Seeligsberg eine Enkelin von Alexander Mack, verheiratet mit dem Kronacher Arztsohn Moritz Seeligsberg. Sie starb, hochangesehen nicht zuletzt wegen ihres großen sozialen Engagements, im Jahr 1932."   
     
Das Rathaus und seine
jüdische Vorgeschichte 
(Foto: Jürgen Hanke, Fotos von 2014 / 2022)
   
 Text auf der Informationstafel von 2006: "Das Rathaus.  Die Gemeindeverwaltung wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg aus der alten Kanzlei in dieses Gebäude verlegt. 1855 kaufte die Gemeinde das Anwesen von der jüdischen Weinhändlerfamilie Putzel, die, wie damals viele ihrer Glaubensgenossen, nach Amerika auswanderte. Von 1855 bis 1929 beherbergte das Haus die Volksschule sowie Lehrerwohnungen. durch den Zuwachs der Bevölkerung reichten die Räume bald nicht mehr aus. Im 'Kloster' wurde die 1. bis 4. Klasse der Mädchen, in der Gastwirtschaft Fischer am Markt, heute Anwesen Langheimer Strasse 2, die 1. bis 4. Klasse der Jungen unterrichtet. Die oberen Klassen verblieben im Rathaus, ebenso die Lehrerwohnungen. 1975 wurde das Rathaus um einen Anbau erweitert."  
Die neue Tafel hat den Text: "Das Rathaus. Das Gebäude wurde 1826 errichtet und erfuhr im Laufe der Jahre zahlreiche Umbauten und verschiedene Nutzungen. 1855 kaufte die Gemeinde das Anwesen von der jüdischen Weinhändlerfamilie Putzel, die wie damals viele ihrer Glaubensgenossen nach Amerika auswanderte. Von 1855 bis 1929 beherbergte das Gebäude die Volksschule sowie Lehrerwohnungen. Durch die Zunahme der Bevölkerung reichten die Räume bald für Schulzwecke nicht mehr aus. Nach dem Neubau einer Schule an der Baiersdorfer Straße im Jahr 1928 verblieben hier aber weiterhin Lehrerwohnungen. Nach 1945 erfolgte nach und nach die Verlegung der Gemeindeverwaltung hierher. Im Zuge der Gebietsreform der 1970er-Jahen wurden einige umliegende Dörfer eingemeindet und die Verwaltung wurde größer, sodass 1975 ein Anbau am rückwärtigen Teil des Hauses nötig wurde."  

  
  
 
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte  

April 2012: Gedenken an die Deportation und Ermordung von 13 Altenkunstadter Juden  
Artikel von Andreas Welz in "infranken.de" vom 25. April 2012: "13 Kerzen, ein Foto und viele mahnende Worte. 
Altenkunstadt.
Gedenkstunde. Die Interessengemeinschaft Synagoge Altenkunstadt erinnerte mit der CHW-Bezirksgruppe Burgkunstadt-Weismain an die Deportation und Ermordung von 13 Altenkunstadter Juden..."  
Link zum Artikel      
 
Mai 2013: In Altenkunstadt werden "Stolpersteine" verlegt   
Artikel von Josef Motschmann in der "Neuen Presse" vom 14. Mai 2013: "Symbole neuer Erinnerungskultur. 
Drei Stolpersteine erinnern an die Familie Wolf. Sie wurde am 24. April 1942 nach Polen deportiert und wenige Wochen später in den Gaskammern des Konzentrationslagers Sobibor von den Nazis ermordet..." 
Link zum Artikel   -  auch eingestellt als pdf-Datei    
  
Oktober 2013: Ausstellung zu den Genisa-Funden  
Artikel von Josef Motschmann in der "Neuen Presse" vom 19. Oktober 2013 (Link zum Artikel): "Ältestes Dokument aus dem Jahr 1566
In der Altenkunstadter Synagoge ist die Genisa-Ausstellung eröffnet. Selbst Gäste aus den USA sind angereist.

Altenkunstadt - Evi Iglauer und Lotte Reynold aus New York City konnten im Jahr 1938 noch rechtzeitig Deutschland verlassen und in den USA eine sichere Bleibe finden. Beide Iglauer-Töchter, damals sechs und zehn Jahre alt, mussten nicht mehr erleben, wie wenige Wochen nach ihrer Ausreise ihre vertraute Burgkunstadter Synagoge in der Pogromnacht zerstört und ein paar Tage später abgerissen wurde.
Dokumente, wie sie jetzt in der Altenkunstadter Synagoge präsentiert werden konnten, seien damals in Burgkunstadt während der November-Tage 1938 wohl für immer verloren gegangen. Umso erfreuter lauschten die beiden rüstigen "Borkuuschde Maala" der 30er-Jahre den Ausführungen von Inge Goebel, als sie einzelne Genisa-Objekte, die man Anfang der 1990er-Jahre auf dem Dachboden der Altenkunstadter Synagoge geborgen hatte, erstmals der Öffentlichkeit präsentierte.
In Anwesenheit des Bürgermeisters Georg Vonbrunn, mehrerer Gemeinderäte und zahlreicher Gäste erklärte Inge Goebel, ehrenamtliche Archivleiterin der Gemeinde Altenkunstadt, die Bedeutung einer Genisa für die heutige Forschung. Religiöse Gegenstände und andere Dokumente hätten die Juden früher nicht weggeworfen, sondern in der Synagoge "hinterlegt". Mit Hilfe der gefundenen Objekte könnte man heute Rückschlüsse ziehen auf das Innenleben einer Gemeinde, das Schulwesen, auf die Rolle der Frauen, den kulturellen Austausch und den Radius wirtschaftlicher Beziehungen.
Das älteste Dokument, das man in Altenkunstadt geborgen hatte, stammt aus dem Jahr 1566 und ist das Fragment eines Bibelkommentars, der in Venedig gedruckt wurde. "Salomon Jakob Lauer aus Altenkunstadt" ist beispielsweise in einer Predigtsammlung vermerkt, die 1799 in Sulzbach erschienen ist. Inge Goebel zeigte sich darüber erfreut, dass tatsächlich die meisten Objekte aus Altenkunstadt stammen und damit sehr anschaulich 300 Jahre der 700-jährigen jüdischen Tradition des Ortes dokumentieren. Vielleicht könnte sich in einigen Jahren jemand entschließen, seine Doktorarbeit über die Altenkunstadter Genisa zu schreiben, so der Wunsch der Referentin.
Auf der ehemaligen Frauenempore, auf der seit 1993 einer Dauerausstellung zur Geschichte der Juden am Obermain präsentiert wird, konnten die Besucher in den neu eingerichteten Vitrinen einzelne Objekte einsehen, die man in den letzten Wochen restauriert hatte. Erstaunt wurde registriert, wie vor 200 Jahren Kalender angelegt waren. Andererseits konnte man bei der Literatur für die Schulanfänger durchaus Parallelen zu heutigen ABC-Schützen feststellen: Das mühsame Erlernen der einzelnen Buchstaben fällt eben doch am leichtesten, wenn es mit Hilfe von interessanten Bildern schmackhaft gemacht wird - damals wie heute..."   
 
November/Dezember 2016: Zum Tod von Josef Motschmann  
Der im Blick auf die Erforschung der jüdischen Geschichte der Region hochverdiente Josef Motschmann (geb. 26.1.1952 in Altenkunstadt, gest. 26.11.2016) wurde unter anderem mit dem German Jewish History Award ausgezeichnet. Dazu findet sich eine Würdigung in der Seite http://obermayer.us/award/awardees/motschmann-ger.htm bzw. in englisch http://obermayer.us/award/awardees/motschmann-eng.htm     
Altenkunstadt Traueranzeige Motschmann.jpg (93596 Byte)Traueranzeige zum Tod von Josef Motschmann: "Nachruf 
Die Interessengemeinschaft Synagoge Altenkunstadt trauert um
 Josef Motschmann  
Gründer, 1. Vorsitzender und inspirierender Geist unserer Gemeinschaft. 

Seiner Initiative ist es zu danken, dass die ehemalige Synagoge zu einem Ort der Begegnung, des friedlichen Diskurses und des kulturellen Austausches wurde - es war ihm eine Herzensangelegenheit.  
Mit der Gründung der Interessengemeinschaft Synagoge wurde der Rahmen geschaffen für die vielfältigen Veranstaltungen, mit denen Josef Motschmann unermüdlich für das gegenseitige Verständnis der jüdischen und der christlichen Religion und das Wissen um die gemeinsamen Werte und Traditionen warb. Sein Bemühen um das Aufarbeiten der Geschichte bewirkte, dass Nachkommen Altenkunstadter Juden die Heimat ihrer Vorfahren immer wieder als Ort der Versöhnung kennenlernten und hat den Namen den Namen Altenkunstadt in die Welt getragen. Josef Motschmanns großes Engagement, seine Unbeirrbarkeit und sein ausgleichendes Wesen haben die Interessengemeinschaft geprägt. Er wird sehr fehlen.  
Inge Goebel  Otto Schumann  Dr. Hansjürgen Michel"
 
Presseartikel in "InFranken.de" vom 28. November 2016: "Altenkunstadts Ehrenbürger Josef Motschmann ist tot".    
 
März 2020: Mit App und Smartphone durch die Ausstellung in der Synagoge  
Artikel von Corinna Tübel in "Fränkischer Tag" vom 10. März 2020: "Interaktiv durch die Synagoge. Ein sogenannter Smartguide ermöglicht es, erklärende Informationen zu den Exponaten zu bekommen.
In der ehemaligen Synagoge gibt es jetzt die Möglichkeit, sich auf eine 'interaktive Führung' durch die Dauerausstellung zu begeben. Bei einer kleinen Feier wurde der sogenannte Smartguide offiziell vorgestellt. Bürgermeister Robert Hümmer erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass die Synagoge von Altenkunstadt eines der wenigen Gebäude sei, das die schrecklichen geschichtlichen Ereignisse überstanden habe. Noch heute könne es deshalb an die jüdische Gemeinde erinnern. Nachdem Gemeinderat Karlheinz Hofmann die Ausstattung der Synagoge mit modernster Technik ins Spiel gebracht habe, entschieden sich die Verantwortlichen der Gemeinde dafür, eine Smartguide anzuschaffen.
Interessengemeinschaft. Einen kurzen geschichtlichen Überblick gab Archivbetreuerin Inge Göbel, die ins Bewusstsein rief, dass im Jahr 1938 die Synagoge von Altenkunstadt beschädigt worden sei. 1988 fanden sich heimische Bürger zusammen, die die 'Interessengemeinschaft Synagoge Altenkunstadt' gründeten. Ihr besonderes Anliegen sei es dabei gewesen, dieses Gebäude, das über Jahrzehnten als Turnraum oder als Lagerhalle gedient habe, als Kultur- und Ausstellungsraum zu eröffnen. Die inzwischen immer umfangreicher gewordene Dauerausstellung auf der sogenannten Damenempore trage dazu bei, dass bei Besuchern und insbesondere Schulkindern viel Verständnis für die Geschichte der Juden geweckt werde. Allerdings erschlössen sich derartige Exponate nicht von selbst. Sie benötigten Erklärung. Hier habe der technische Fortschritt nun Möglichkeiten geschaffen, um sich selbst auf den Weg durch die Dauerausstellung in der Synagoge zu begeben. In diesem Zusammenhang kam dann die Idee von Kreisarchivpflegerin Adelheid Waschka, mit sogenannten QR-Codes zu arbeiten.
Schlüssel und Smartphone. Dies stellte sich als eine funktionierende und weitgehend wartungsfreie Lösung heraus. Interessierte müssten sich nur den Schlüssel im Rathaus (während der üblichen Geschäftszeiten) holen und könnten mit einem Smartphone an die erklärenden Informationen kommen, die es sowohl in deutscher wie auch in englischer Sprache gibt."
Link zum Artikel  https://www.infranken.de/regional/artikel_fuer_gemeinden/interaktiv-durch-die-synagoge;art154303,4957780  

    
     

Links und Literatur

Links:

bulletWebsite der Gemeinde Altenkunstadt  
bulletInformationsseite bei "Museen in Bayern"  
bulletPrivate Fotoseite zur Synagoge in Altenkunstadt   

Literatur:  

bulletGermania Judaica II,1 S. 146-147; III.1 S. 195-196.
bulletBaruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979 S. 104-105.
bulletIsrael Schwierz:  Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 192.
bulletPinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany - Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 200-202.
bulletJosef Motschmann: Es geht Schabbes ei. Vom Leben der Juden in einem fränkischen Dorf. Lichtenfels 1988 (hg. vom SPD-Kreisverband Lichtenfels). 
bulletders.: "Die Kultur im Dorfe". Jüdisches Vereinsleben in Altenkunstadt zu Beginn des 19. Jahrhunderts. In: Vom Main zum Jura. Heimatgeschichtliche Zeitschrift für den Landkreis Lichtenfels. Heft 2. Lichtenfels 1985 S. 35-44.
bulletders.: Altenkunstadt - Saaz - Berlin - Jerusalem. Stationen einer jüdischen Familie in drei Jahrhunderten. ebd. S. 45-56.
bulletders.: "Masel Tow". Zur Bedeutung des Hochzeitssteins an der Synagoge zu Altenkunstadt. In: Vom Main zum Jura.  Heft 3 Lichtenfels 1986. S. 51-58.
bulletders.: Rabbi Altenkunstadt. Skizzen zur Biographie eines bedeutenden Rabbiners. In: Vom Main zum Jura. Heft 4. Lichtenfels 1987. S. 131-138.
bulletKlaus Guth (Hg.) u.a.: Jüdische Landgemeinden in Oberfranken (1800-1942). Ein historisch-topographisches Handbuch. Bamberg 1988. zu Altenkunstadt S. 62-77. 
bulletSynagogengedenkbuch BY 01.jpg (49758 Byte)"Mehr als Steine...." Synagogen-Gedenkband Bayern. Band I: Oberfranken - Oberpfalz - Niederbayern - Oberbayern - Schwaben. Erarbeitet von Barbara Eberhardt und Angela Hager. Hg. von Wolfgang Kraus, Berndt Hamm und Meier Schwarz. Reihe: Gedenkbuch der Synagogen in Deutschen. Begründet und herausgegeben von Meier Schwarz. Synagogue Memorial Jerusalem. Bd. 3: Bayern. Kunstverlag Josef Fink Lindenberg im Allgäu. ISBN 978-3-98870-411-3.
Abschnitt zu Altenkunstadt S. 49-55 (die Forschungsergebnisse konnten auf dieser Seite von "Alemannia Judaica"  noch nicht eingearbeitet werden).
bulletGenisa-Blaetter Heft 1 2013.jpg (93268 Byte)Genisa-Blätter. Hrsg. von Rebekka Denz und Gabi Rudolf in Kooperation mit dem Genisaprojekt Veitshöchheim. Heft 1 2013. Darin Beiträge von Monika Müller, Gabi Rudolf, Oliver Sowa und Rebekka Denz: Quellen 2-4 aus der Genisa Altenkunstadt S. 21-51.     
Auch online zugänglich (interner Link) bzw. über www.v-j-s.org (über "Aktuelles")     

     
   
   


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Altenkunstadt  Upper Franconia. Jews were present from the 15th century. Their houses were destroyed during the peasant riots of 1699. A synagogue was built in 1726 (replaced in 1822) and a Jewish public school was opened in 1869. The Jewish population declined sharply from 400 in 1837 to 112 (total 1.288) in 1880 and subsequently to 28 in 1933. The interior of the synagogue was destroyed on Kristallnacht (9-10 November 1938). In 1937-39, 12 Jews left the town, nine to other German cities and three to the United States. Thirteen were expelled to Izbica in the Lublin district of Poland on 25 April 1942. 
      
         

                   
 nächste Synagoge 
(in Oberfranken) 

  

 

Senden Sie E-Mail mit Fragen oder Kommentaren zu dieser Website an Alemannia Judaica (E-Mail-Adresse auf der Eingangsseite)
Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 30. Juni 2020