Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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aus der Heilbronner Stimme vom Donnerstag dem 8. November 2001

     

Synagoge in Obersulm- Affaltrach wird 150 Jahre alt - 
Bei Gedenkfeier wird Dokumentation vorgelegt  

Der jüdischen Geschichte begegnen     
   
Von Reto Bosch            
 
Keine der ehemals 60 jüdischen Gemeinden in Stadt- und Landkreis Heilbronn hat die Schreckensherrschaft- der Nationalsozialisten überlebt. An die Geschichte der Juden erinnert heute die ehemalige Synagoge in Obersulm- Affaltrach. Am Freitag, dem Jahrestag der Reichspogromnacht wird ihr 150jähriges Bestehen gefeiert.
Das Backsteingebäude im Herzen Affaltrachs ist mehr als eine ehemalige Synagoge. Unter einem Dach vereinigt sie alle für Juden relevanten Einrichtungen: einen großen Betsaal, das rituelle Tauchbad (Mikwa), ein Schulzimmer oder die koschere Küche. "Das ist in Baden Württemberg einzigartig" sagt Martin Ritter, Mitglied des „Freundeskreises ehemalige Synagoge Affaltrach". Er hat die Geschichte des Versammlungsortes und der jüdischen Gemeinde untersucht und in einer Dokumentation zusammengefasst.
In den ehemaligen Versammlungsort integriert ist ein Museum, das im Mai 1989 eingeweiht wurde und die Erinnerung an die jüdische Mitbürger wach halten soll. Für Landrat Klaus Czernuska ist die Synagoge eine Begegnungsstätte geworden. "Wir begegnen darin jüdischen Menschen, jüdischer Kultur und jüdischer Religion". In der Einrichtung vereinten sich Vergangenheit und Gegenwart zu einem lebendigen Miteinander.
Mitte des 19. Jahrhunderts erlebt die jüdische Gemeinde in Affaltrach ihre Blütezeit. Von 1000 Einwohnern gehören ihr 220 Personen an. Eine günstige Zeit also für den Bau einer neuen Synagoge, nachdem das Vorgängergebäude 1844 abgebrochen worden war. 1845 legt der Weinsberger Oberamtswerksmeister Bürk seine Pläne für eine großzügige Synagoge zwischen Affaltrach und Eschenau vor. Doch diese sind nicht zu realisieren: zu teuer. Den zweiten Vorschlag Bürks für ein Versammlungshaus in Affaltrach setzen die Juden 1851 dann um. Das Grundstück stiftet Nathan Krailsheimer. Die feierliche Einweihung findet am 28. November 1851 statt.
Die neue Synagoge kann den Niedergang der jüdischen Gemeinde Affaltrach aber nicht verhindern. Hatte sie 1870 noch 182 Mitglieder, sind es 1905 nur noch 35. "Es ging schnell bergab", erklärte Martin Ritter. Viele Juden seien in Städte gezogen, andere nach Amerika ausgewandert. .Am Tag der Reichspogromnacht, am 9. November 1938 wohnen noch zehn Juden in Affaltrach. Sie erleben wie die Nazis ihren Versammlungsort verwüsten.
Nach dem Krieg verfällt die Synagoge zusehends, zeitweise wird sie auch gewerblich genutzt. Dann bringt der Affaltracher Pfarrer Immanuel Nau den Stein ins Rollen. Auf seine Initiative hin wird nicht die Sontheimer, sondern die Affaltracher Synagoge saniert, als Gedenkstätte ausgebaut. 1985 gründet sich der "Verein zur Erhaltung der Synagoge Affaltrach". Ein Jahr später beginnt der Landkreis Heilbronn das Gebäude zu renovieren. 1989 ist auch das "Museum zur Geschichte der Juden in Kreis und Stadt Heilbronn" fertig. Der 1996 ins Leben gerufene "Freundeskreis ehemalige Synagoge Affaltrach" erfüllt das Haus mit Leben, organisiert 'Veranstaltungen, führt Interessierte durch die Geschichte der Unterländer Juden. Nach Angaben von Martin Ritter kommen rund 2 500 Besucher pro Jahr. "Damit sind wir sehr zufrieden."
Die Gedenkfeier beginnt morgen um 19 Uhr in der ehemaligen Synagoge. Dann stellt Ritter, auch seine "druckfrische" Dokumentation vor.

Kommentar Synagogenbau - Lernen vor Ort  

Die ehemalige Synagoge in Affaltrach erfüllt eine wichtige Funktion. Sie ist ein Scharnier zwischen Vergangenheit und Zukunft. Die Gedenkstätte beleuchtet die Geschichte der Unterländer Juden. Der Lichtkegel fällt auf Blütezeiten, in denen etwa in Affaltrach 20 Prozent der Bevölkerung jüdischen Glaubens waren. Doch auch die schrecklichen Jahre des nationalsozialistischen Terrors bleiben nicht im Dunkeln. Unaufdringlich führt die Ausstellung durch die Lebenswelt der jüdischen Mitbürger.
Tausende von Besuchern haben sich seit Bestehen der Gedenkstätte informiert über Leben, Verfolgung und Religion. Viele junge Menschen sind darunter, deren Geschichtsbild üblicherweise von Büchern, dozierenden Lehrern und oftmals von Desinteresse geprägt ist. Vor Ort erleben sie in kompakter Form die für sie zunächst fremde Kultur. Und Wissen baut Vorurteile ab. Die ehemalige Synagoge gibt aber auch Gelegenheit, grundsätzlich über das Miteinander von Menschen nachzudenken. Jeder einzelne Impuls dazu ist wertvoll.
Der Landkreis Heilbronn hat den Versammlungsort renoviert, er ist Besitzer des Gebäudes. Leben haucht ihm aber vor allem beispielhaftes ehrenamtliches Engagement ein. Der "Freundeskreis ehemalige Synagoge Affaltrach" dreht die Scheinwerfer - und verhindert das Vergessen.   
   
   

   

 

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Stand: 29. April 2016